Auf dem Weg - In Wort und Bild

11 Iran

Verkehrsvorschriften gibt's auch im Iran.
Verkehrsvorschriften gibt's auch im Iran.

Alles geht mal zu Ende

04.08.2010

 

Auch das Visum für den Iran hat keine unbegrenzte Haltbarkeitszeit. Da bin ich wieder, Richtung Nordwest, auf dem Weg zurück in die Türkei. Die Strecke am Kaspischen Meer entlang von Now Shahr nach Asalem ist eigentlich nicht erwähnenswert. Die Strecke fühlt sich an wie eine einzige große Stadt auf 250 km. Mit all seinen Nachteilen an schlechter Luft durch Abgase, Abfall überall und allenthalben. Auch an den Stränden direkt am Meer. Bringe die Strecke schnell hinter mich und ärgere mich ein wenig, nicht meinem Instinkt gefolgt zu sein im Landesinneren zu bleiben. Naja, wollte auch mal das Kaspische Meer aus der Nähe sehen. Das Highlight wird wieder die Überquerung der „Iranischen Alpen“ ab Asalem. Komme auf der Straße nach Khalkhal auf 2 400 m, um dann in Richtung Ardabil wieder auf 1 800 m abzufahren. Kurven, Wälder, heißtrockenes Klima, wieder trockene Klamotten – in Kürze zusammengefasst. In Ardabil wird mein Moped wieder in den Eingangsbereich meines Hotels gestellt – nicht ohne die Unterstützung vieler helfender Hände unter lautstarken Anleitungen. Letztendlich steht es aber sicher für die Nacht an dem angestammten Platz. Zwei Tage später stehe ich wieder an der Grenze, dieses Mal in entgegen gesetzter Richtung und hoffe, dass die Formalitäten genauso schnell erledigt sind wie ein paar Wochen zuvor. Meine letzten Lira habe ich noch in Benzin für mein Moped investiert – so billig komme ich die nächsten Wochen an kein Benzin mehr (Tank voll im Iran 6 Euro, Tank voll in der Türkei 36 Euro). Traurige Zeiten stehen bevor.

An der Grenze alles beim Alten. Beruhige zuerst die auf mich zustürmenden sogenannten Helfer. Erkläre erstmal, dass ich kein Geld in irgendeiner Währung zu tauschen gedenke und frage den Leisesten unter den Lauten nach seiner Hilfe. Helferlohn ausgehandelt, Carnet de Passage in seine Hände übergeben. Er stellt mich an einer Reihe an, und übergibt mich dabei einem Kollegen, der ebenfalls ansteht, um den Ausreisestempel in den Reisepass einstempeln zu lassen. Dieser Kollege schiebt mich als eine Art Schutzschild vor sich her in Richtung Schalter. Bin zu einer etwas unpassenden Zeit am Grenzpunkt angelangt. Kurz vor mir sind vier große Reisebusse an der Grenze vorgefahren und die Insassen stehen nun alle um mich herum und versuchen ebenfalls so schnell wie möglich an den Ausreisestempel zu kommen. Wie es ausschaut, muss man sich den immer noch persönlich abholen. Habe keine Wahl und lasse mich von dem lieben Kollegen von hinten Richtung Schalter drücken. Die Entrüstung hält sich merklich in Grenzen, als die Leute sich zu mir umdrehen um zu sehen, wer es denn da so eilig hat. Fühle mich als einer der Großen unter den Kleinen. Überwiegend Frauen und Kinder aller Altersgruppen um mich herum, alle überwiegend etwas kleiner gewachsen als ich. Als der Stempel im Reisepass ist, geht es erst mal wieder raus zu meinem Moped. Dieses wurde freundlicherweise von den Grenzbeamten immer etwas weiter nach vorne geschoben, so dass ich mich schon im inneren Grenzbereich befinde. Tor nach hinten, Iran, zugezogen. Tor nach vorne, Türkei, zugezogen. Mein Helfer bittet mich um den ausgehandelten Lohn und lotst mich an den Bussen und Autos vorbei an das türkische Tor. Übergabe der Papiere an einen türkischen Zöllner – Tor auf und hinter mir wieder zu. Stehe nun auf türkischer Seite im Grenzbereich, beide Tore zu. Papiere vorlegen, Reisepass abgeben, warten. Nach ein paar Minuten alles erledigt bis auf die Gepäckkontrolle. Dazu muss sich erst ein Zöllner finden lassen. Sind für den Moment alle beschäftigt mit der Kontrolle anderer Einreisender. Bei der Kontrolle eines Kleinbusses werde ich aufmerksam. Der Zöllner schaut sich, meiner Meinung nach, das Fahrzeug oberflächlich und kurz an. Nimmt dann die Papiere an sich und verschwindet nach kurzer Anweisung mit diesen. Ein Rollwagen wird angefahren. Die Leute von dem Kleinbus kramen aus allen Öffnungen schwarze Plastiktüten heraus und werfen diese in den nebenstehenden Rollwagen. Frage meinen Helfer, was das zu bedeuten hat. Er erklärt mir, dass es sich hierbei um Tee handelt, der versucht wurde zu schmuggeln, da dies aber nicht erlaubt ist wurden die Leute aufgefordert alles in den Rollwagen zu werfen. Naja, nur Tee, frage ich nochmals. Bekomme nur ein freches Grinsen zurück. Wie dem auch sei, es werden sogar aus dem Unterboden des Busses noch einige Plastiktüten hervorgeholt. Am Ende zähle ich 23 Plastiktüten auf dem Rollwagen. Der Zöllner gibt nach einer abermaligen, dieses Mal gründlicheren Fahrzeuginspektion die Papiere mit einem Grinsen an den Fahrer zurück. Kommt jetzt auf mich zu und bittet um die Papiere. Schaut diese kurz durch, dann die Fragen an mich mein Gepäck betreffend – Tee? No. Marihuana? No. Guns? No. Dynamid? No. Benzin? Yes, im Tank, randvoll. Was ist in den Alukoffern? Ersatzteile, Medizin, Ausrüstung, …… Darf zur Sicherheit noch einen der Alukoffer öffnen, bevor ich dann nochmals zur Passkontrolle ein paar Meter weiter geschickt werde. Darf mein Motorrad mitnehmen und auch darauf sitzen bleiben. Noch ein kurzer Blick in meinen Reisepass und die Schranke wird geöffnet. Fahre auf den Ausgang des Grenzpostens zu, an dem ein Zöllner nochmals kurz einen beiläufigen Blick in den Reisepass wird, um mir dann zu erklären ich müsse umkehren, da stimme was nicht. Leicht nervös versuche ich zu ergründen, was denn nicht stimmen könnte. Werde gefragt, ob ich an der Passkontrolle war. Bejahe dies und werde aufgefordert meine Tasche an der Motorradjacke, in die ich zuvor meinen Reisepass eingesteckt hatte, zu leeren. Komme dieser Aufforderung nach und dabei fällt ein kleiner Papierschnitzel mit einem blauen Punkt auf den Boden. Sofort erregt dieser Schnitzel die ganze Aufmerksamkeit des Zöllners. Er hebt diesen auf und wünscht mir eine gute Fahrt. Zur Erklärung, dieser Papierschnipsel wird bei der Passkontrolle in den Reisepass gelegt, um so dem Kollegen am Ausgang des Grenzpostens zu signalisieren – alles in Ordnung, kann passieren. Dieser Schnipsel ist mir in der Tasche aus dem Reisepass gefallen und dem Zöllner wurde dadurch signalisiert, dass ich eventuell noch nicht alle Stationen der Ausreise durchlaufen habe oder wissentlich versucht habe diese zu umgehen. Wie dem auch sei, mit dem Entleeren meiner Tasche der Motorradjacke und zu dem Zubodenfallen des Schnipsels hat sich alles zum Besten geklärt. Damit steht einer erneuten Einreise in die gute alte Türkei nichts mehr im Wege. Vorbei am großen und kleinen Ararat geht es Richtung Ankara.

Sonnenaufgang, weiter geht's.
Sonnenaufgang, weiter geht's.

Yazd – Die Wüste lockt

 28.07.2010

 

Im Silk Road Hotel in Yazd nehme ich meinen Gedanken, die Dasht e Kavir Wüste zu durchfahren, nochmals auf. Das Silk Road Hotel ist eine kleine Oase für Reisende, mitten in den Gassen der Altstadt, gebaut aus Lehm – viele sagen; „Man bleibt meist länger im Silk Road Hotel als ursprünglich geplant“. Auch ich habe um eine Nacht verlängert. Dies dient aber ausschließlich dazu, etwas mehr über die Dasht e Kavir Wüste in Erfahrung zu bringen. Hieß es zu Anfang meiner Reise im Iran noch, es wäre ein unkalkulierbares Wagnis die Wüste zu durchfahren, relativiert sich dies etwas durch die Gespräche mit den Leuten vor Ort. Ermutigt fasse ich den Entschluss durch die Dasht e Kavir zu fahren. Wenn man Yazd in Richtung Norden verlässt, befindet man sich nach ein paar Kilometern schon in der Wüste.

Bei der Dasht e Kavir handelt es sich dabei um eine Steinwüste, in der die klassischen Dünenkämme nicht vorkommen. Es handelt sich hierbei um mal mehr und mal weniger große Steinformationen, durch den Wind in Jahrzehnten oder –hunderten geformt Die Dasht e Kavir zeichnet sich auch durch die Farbenvielfalt der Formationen aus. Mal schimmert es gräulich, mal rötlich, mal bläulich in der tief stehenden Sonne. Freue mich schon auf die Erfahrung. Erstmal Ölwechsel. Ader dann mache mich auf den Weg. Heißt erstmal, schnurgerades Asphaltband durch die mit Kieselstein-Sand Gemisch bedeckte Landschaft. Die Luft flimmert ab den Mittagsstunden. Meine ersten Schlucke aus dem Camelback sind schon richtig warm – warmes Wasser trinken, man gewöhnt sich dran – Hauptsache Flüssigkeit gegen den Feuchtigkeitsverlust. Die Landschaft ist hügelig und mit kleineren dürren Sträuchern bedeckt. Ab und an kommt man an einer alten Kawanserei vorbei, die früher der Versorgung der Karawanen auf der alten Seidenstraße (Yazd liegt auf dieser) gedient haben und heute als Schattenspender und Übernachtungsmöglichkeiten genutzt werden. Komme auch immer wieder an „Vorsicht Kamele“ Schildern vorbei, aber es ist keines in Sicht, die ganzen Stunden kein einziges Kamel. Bis ich auf eine Karawanserei etwas abseits der Straße zuhalte. Hätte es beinahe überfahren – es liegt leblos und ausgetrocknet mitten auf dem Fahrweg. Später am Nachmittag stoße ich auf noch eines, auch diesmal liegt es ziemlich ausgetrocknet halb auf der Straße. Zwei tote Kamele an einem Tag – kann nur besser werden. Spätnachmittags halte ich nach einem geeigneten Schlafplatz für die Nacht Ausschau. Fahre dazu ein paar Kilometer querfeldein und werde an einem halb fertig gebauten Gebäude fündig. Muss so mein Zelt nicht aufstellen und kann ungehindert den Sternenhimmel begutachten. Leider weht die ganze Nacht durch ein starker Wind, schlafe in den Motorradklamotten. Dafür war der Sonnenuntergang, Sternenhimmel und Sonnenaufgang ungehindert zu bewundern. Totale Stille – bis auf den Wind – Sonne, Mond und Sterne so nah wie sonst nie. Am nächsten Morgen bin ich bei Sonnenaufgang auf den Beinen, Bilder machen, weiter geht’s. Doch zuvor noch die Sandschicht etwas entfernen, die sich in der Nacht auf alles gelegt hat. Erstmal etwas Wasser besorgen. Im nächsten Dorf werde ich auf einen Brunnen an der Moschee verwiesen, glasklares kaltes Wasser direkt aus dem Brunnen. Unterwegs in einem Laden gibt es tief gefrorenes Wasser in Flaschen zu kaufen – im Rucksack sorgt es für eine angenehme Kühlung des Rückens. Auch ein wirksames Mittel zur Kühlung während der Fahrt ist der eigene Schweiß. Wie das? Einfach für ein paar Minuten anhalten, dabei die ganzen Klamotten anbehalten. Wenn dann das T-Shirt nass geschwitzt ist weiterfahren. Der warme Luftzug trocknet den Schweiß während der Fahrt, was zu etwas Kühlung verhilft bis alles wieder trocken ist. Bei Bedarf uneingeschränkt wiederholbar solange der Wasservorrat stimmt.

Die Landschaft ändert sich ein wenig im Laufe des Tages, es wird etwas hügeliger und die verschiedenen Gesteinsfarben sind an den Formationen deutlich sichtbar. Fahre jetzt auch ab und an die eine oder andere Alternativroute, um dem Asphaltband der Wüste etwas zu entkommen und auch mal unbefestigte Straße oder Piste unter meine Räder zu bekommen. Macht so auch gleich mehr Spaß die Dasht e Kavir zu durchfahren.

Treffe heute auch tatsächlich auf lebendige Kamele mit ihren Aufpassern auf kleineren Mopeds. Die Schilder beziehen sich also doch nicht nur auf Kadaver in der Wüste. Heute hat auch der Wind ein Erbarmen und ich mache es mir zwischen zwei Sträuchern auf meiner Isomatte gemütlich für die Nacht. Auch in dieser Nacht ist es eine Freude dem Sonnenuntergang, Mondaufgang, Sternenhimmel und dem Sonnenaufgang beizuwohnen. Die Temperatur ist während der Nacht auch ohne Schlafsack zu ertragen, was mich etwas verwundert, da ich mich laut GPS immerhin noch auf etwa 800 m befinde. Schnee war jedenfalls keiner zu sehen.

Heute steht das Ende der Wüstenfahrt bevor. Ab Mo’alleman sind es noch 130 km bis Damghan, und die Straße steigt von 800 m auf 2 100 m an. Das Klima wird gleich etwas kühler und auch die Vegetation kehrt zurück. Fahre durch grüne Wälder auf dem Weg nach Semnan. Tehran will ich mir als Mopedfahrer nicht antun, wie es aber ausschaut, muss ich Tehran zumindest etwas streifen auf dem Weg nach Now Shahr. Die Strecke Teheran – Now Shahr ist ein absolutes Highlight bei meinem Besuch im Iran. Man fährt in Tehran auf etwa 2 200 m los und folgt dem Sträßchen etwa 170 km nach Now Shahr. Dabei steigt man auf 3 250 m an, um dann auf Straßen, die mit „Haarnadelserpentinen“ übersät sind, auf Meereshöhe in Now Shahr anzukommen. Das fühlt sich „hochalpin“ an, und man wähnt sich wirklich ein wenig in den Alpen, wenn man das Auge etwas über das Hochplateau mit seinen grünen Wiesen und Kühen darauf schweifen lässt. Das Klima ändert sich, sobald man den Hauptkamm überquert hat. Von heißtrocken zu heißschwül. Fahre die nächsten Tage in feuchten Klamotten durch die Gegend. Diese sind auch über Nacht und mit dem Fahrtwind nicht trocken zu kriegen. Einziger Nachteil der Strecke, viele Teheraner kennen die Straße auch und fahren diese oft, um einen Platz zum Picknicken zu finden. Wie die Türken sind auch die Iraner ein picknickfreudiges Volk und tun dies so oft es irgend geht an allen Stellen des Landes.

200 ccm, mehr darf nicht.
200 ccm, mehr darf nicht.

Iran – Where from? / How much?  18.07.2010

 

Beim Reisen im Iran gibt es für die Touristen das eine oder andere Rätsel zu lösen. Das mit Abstand am häufigsten auftretende, mit der Zeit auch etwas nervtötende Phänomen sind die zwei Fragen – where from? How much? Und zwar uneingeschränkt durch alle Altersschichten. Womit mit „Where from?“ gefragt wird, wo man denn herkommt. Wenn man die richtige Antwort gibt – Germany / Almangn – wird man oft sogleich auf die gemeinsamen Vorfahren die Arier verwiesen und wird als Freund akzeptiert. Das die Deutschen bei der Fußballweltmeisterschaft England mit 4:1 besiegt haben trägt dann auch noch zur allgemeinen Zufriedenheit bei und wird dem Almangn hoch angerechnet.

Mit der Frage „How much?“ wird auf das Moped eingegangen, dass meist in kürzester Zeit umstellt ist sobald man anhält. Dabei wird erwartet, dass man bereitwillig den Marktwert des Mopeds preisgibt und diesen mit einem Lächeln dem Fragesteller übermittelt. Die Fragen werden von jeder anwesenden Person, auch wenn diese mir nebeneinander gegenüberstehen, mit Inbrunst und allem Ernst wiederholt. Kann schon mal vorkommen, dass man, wenn man anhält um für ein paar Minuten zu verschnaufen, über diese beiden Fragen der Konversation nicht hinauskommt. Anfangs war mir vor allem die Frage nach dem Marktwert meines Mopeds etwas suspekt. Wenn man sich aber mit der Frage beschäftigt und sie versucht zu hinterfragen, kommt man schnell zur Rätsels Lösung. Die Iraner selbst dürfen laut Regierungsbeschluss nur Mopeds im Land fahren, die die 200 ccm nicht überschreiten, in Ausnahmefällen und im öffentlichen Dienst sind auch mal 250 ccm erlaubt. Man sieht auf den Straßen meist indische, koreanische oder aber überwiegend alte japanische 125 ccm Mopeds. Wenn man dann genauer hinschaut, sind diese meist schneller unterwegs als so manch größeres Modell in Europa. Wurde oft von den kleinen Rennern überholt oder sie fuhren nebenher, meist mit mehr als zwei Personen besetzt, um sich mein Moped mal aus der Nähe und in Aktion anzuschauen. Wie man die Frage nach dem Marktwert nun beantwortet, liegt im Ermessen des Betrachters.

Eine weitere Sache, mit der man im Iran konfrontiert wird, ist die uneingeschränkte Begeisterung für das Moped und der Gesprächsbedarf dem Touristen gegenüber. Wie äußert sich das? Beispiel. Man fährt am Spätnachmittag in eine Stadt und sucht nach einem Hotel. Plötzlich ein lautes Hupen und Gestikulieren neben dem Moped. Es wird zu verstehen gegeben, doch bitte kurz mal rechts ran zu fahren. Kommt man der Aufforderung nach, wird meist zuerst ein Glas kühles Wasser oder ein anderes Getränk gereicht, wobei auch nachfassen außerordentlich erwünscht ist. Man kommt so ins Gespräch – woher? – wohin? – how much? Ein paar Bilder werden gemacht, um dann bis zu einem Hotel voraus zu fahren. Eine etwas gefährlichere Variante ist die, während dem Fahren eine Konversation ins Laufen zu bringen. Die Leute konzentrieren sich dann dermaßen auf das Moped oder den Touristen, dass Gegenverkehr übersehen wird, zwei Autos während der Plauderei nebeneinander fahren, und oft nicht bemerkt wird, dass man nach rechts zieht. Was oft vorkommt, wenn sich über das Lenkrad gebeugt wird.

Ein weiteres Phänomen sind die vielen Einbahnstraßen in den Städten und Dörfern. Hierbei ist es oft so, dass der Kreisverkehr auch als Einbahnkreisverkehr gekennzeichnet ist, das heißt, man kann oftmals den Kreisverkehr nur als Halbkreisverkehr nutzen. Als Zweiradfahrer hat man allerdings das Privileg, dagegen anfahren zu dürfen. Selbst wenn ich einen Polizisten nach dem Weg gefragt habe, wurde ich oft, um mir einen großen Umweg zu ersparen, gegen die Fahrtrichtung geschickt. Wird von allen Verkehrsteilnehmern akzeptiert und es wird bereitwillig Platz gemacht, wenn man ihnen entgegen kommt. War zu Anfang für mich etwas ungewöhnlich, aber hey, wenn man sich dadurch weiterhelfen kann und man die Gefahr, sich eventuell zu verfahren und neu orientieren zu müssen einschränkt, fährt man auch mal ein paar hundert Meter gegen den Strom. Ist aber schon ein komisches Gefühl, wenn nur Fahrzeuge entgegenkommen und keine in deine Richtung fahren.

Nach dem Weg fragen – auch so ein Phänomen. Die Beschilderung auf den Straßen lässt für europäische Verhältnisse meist etwas zu wünschen übrig. Was bleibt, ist oftmals vor Ort nach dem Weg zu fragen. Vor allem, wenn man vorhat die etwas kleineren Sträßchen zu befahren. Diese sind an ihren Abfahrten und eventuell kurz davor nur in den persischen Schriftzeichen ausgeschildert. Die Leute verstehen auch nicht, warum die Touristen eine kleine Straße befahren wollen, wo es doch die mehrspurige große Straße gibt. Wenn man nun in einem Dorf mit Händen und Füßen nach dem Weg fragt, werden die Leute immer die Richtung zu einer größeren Straße angeben und nicht die weiterführende Richtung auf der kleineren Straße. Oftmals bin ich wieder umgekehrt, als ich auf dem GPS sah, dass die Richtung, in die ich gewiesen wurde, zu einer größeren Straße führt. Ist nicht böse gemeint – auf einer großen Straße fährt man einfach besser und kommt auch schneller an!!! Man hat auch ab und an das Gefühl, dass das Gebiet, das man gerne durchfahren möchte, nicht so für Touristen geeignet zu sein scheint. Warum auch immer!!!

Gewöhnungsbedürftig ist auch die Währung – Lira. Aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre offiziell abgeschafft, aber immer noch im Umlauf. Gerechnet wird in Tuman. Umtauschkurs ist in meinem Zeitraum im Iran 1 Euro, 13 000 Lira oder 1 300 Tuman. Geibt es in Scheinen ab 500 Lira – etwa 0,04 Euro (4 Eurocent). 10 000, 20 000, 50 000 sind die sich am häufigsten im Umlauf befindlichen Geldscheine. Um der Geldflut etwas Herr zu werden wird der zu zahlende Betrag meist in Tuman genannt – wobei man lieber nachfragt, ob Lira oder Tuman gemeint sind. Man kauft also zum Beispiel ein Flasche Wasser 1 ½ Liter, kostet im Schnitt 5 000 Lira / 500 Tuman (etwa 38 Eurocent). Der Verkäufer sagt „fivehundred“ oder streckt dir fünf Finger entgegen. Gemeint sind dann 500 Tuman, man bezahlt 5 000 Lira (das als offizielles Zahlungsmittel abgeschafft wurde). Alles klar? Verstanden? Nein? Ging mir anfangs auch so!!! Aber nach ein paar Tagen gewöhnt man sich dran und man hat kapiert, dass das Bündel großer Scheine in der Hosentasche doch nicht soviel wert ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Hat man sich mit den oben aufgeführten Begebenheiten abgefunden und arrangiert, steht einer erfolgreichen Durchfahrung Irans nichts mehr im Wege.

Los geht’s. Hab mich in Tabriz mit den Gepflogenheiten etwas vertraut gemacht, noch etwas Geld getauscht und mir schlussendlich eine ungefähre Route zurechtgezimmert. Das mit der Wüste schiebe ich erstmal vor mir her bis ich kurz davor stehe – ist aber noch in meinem Kopf. Von Tabriz geht es auf einer gut ausgebauten Straße nach Zanjan, wo es zu einem frühen Feierabend der heutigen Fahrt kommt. Bei der Einfahrt nach Zanjan werde ich von einer Familie, die sich auf „Heimaturlaub“ befindet, angesprochen. Leben in Deutschland in der Nähe von Frankfurt und sind für ein paar Wochen auf Familienbesuch zurück im Iran. Habe keine Chance und werde kurzerhand zum Essen eingeladen. Kommen so über alles Mögliche zu sprechen und merken nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Quartiere mich für die Nacht in ein nahe gelegenes Hotel ein, Moped bleibt im Hof der Familie stehen. Am nächsten Morgen kann ich mein Moped nur auslösen, in dem ich ein reichhaltiges Frühstück annehme. Frisch gestärkt mit Tomaten, Gurken, Käse, Honig, Quark und natürlich Tee geht es weiter Richtung Südwesten. Versuche mich heute mal auf etwas kleineren Straßen zu bewegen um so nach Hamadan zu gelangen. Den ganzen Tag über herrscht ein frischer Wind, der viel Sand mit sich führt. Die Sicht beträgt meist nicht mehr als 50 m und wenn man anhält wird man mit einem feinen „Sandfilm“ überzogen – kleiner Sandsturm? Die Fahrt verläuft problemlos und die Strecke führt mich an der Ali Sadre Höhle vorbei. Ein Besuch lohnt sich, wird man doch mit Tretbooten zu den interessantesten Stellen gefahren und zwischendurch bleibt auch noch genügend Zeit und Platz sich die Füße zu vertreten. Als einziger Nicht-Iraner bleibt allerdings die übliche Fragerei nicht aus. Mit dem Besuch der Ali Sadre Höhle und dem mühevollen Auffinden der Straßen (siehe auch oben im Text beschrieben), komme ich heute schon etwas spät in Hamadan an. Den darauf folgenden Tag verbringe ich auch mit dem Aufspüren von kleineren Straßen Richtung Esfahan, meinem nächsten Aufenthaltsort für die kommenden Tage. Bei der Einfahrt versuche ich wieder einen Taxifahrer für mich zu gewinnen, der mich zu einem billigen Hotel lotsen könnte. Aber irgendwie sind die Taxifahrer dafür nicht so richtig zu begeistern. Bis ich mitbekomme, dass die Stadt in Bezirke eingeteilt ist und die verschiedenen Taxis nicht alle Bezirke befahren dürfen. Problem – OK, sehe ich ein – was kann man da machen? Des Rätsels Lösung ist ein kleiner Junge, der mit seinem Fahrrad vorausfährt und mir so den Weg weist. OK, Preis aushandeln und los geht’s. Der Junge fährt voraus, verschwindet fast komplett in dem Verkehr und ich im Schritttempo hinterher. Nach etwa 20 Minuten kommen wir im Hotel an, ich schweißgebadet, der Junge mit einem Lächeln auf den Lippen. Glaube, der Junge war sich der Gefahr in dem Straßenverkehr gar nicht so bewusst oder aber er ist schon ganz schön abgebrüht. Wenn man aber hinterher fährt und den kleinen Radfahrer zwischen all dem Verkehr fahren sieht, kriegt man erstens ein schlechtes Gewissen über die Anstellung von diesem und zweitens ein feuchtes T-Shirt von den ganzen ängstlichen Schweißausbrüchen, wenn man dem Jungen beim „zwischen den Autos durchfahren“ zuschauen muss. Esfahan entpuppt sich als grüne Stadt mit vielen Park- und Grünanlagen. Es gibt richtige Baumalleen mitten in der Stadt durch die sich der ganze Verkehr zwängt, außerdem werden sie als Schattenspender gerne angenommen. Tags darauf treffe ich im Hostel zwei Spanier, Juan und David. Haben bei mir angeklopft, als sie das Motorrad vor dem Hotel stehen sahen. Die Zwei sind auf dem Weg nach Indien und wollen durch Pakistan fahren, na wenn das kein abendfüllender Gesprächsstoff ist. Juan erklärt mir, dass er einen spanischen Botschaftsangehörigen, der mit einer pakistanischen Frau verheiratet ist, kennt. Der hat ihm eine genaue Wegbeschreibung per Email geschickt, wie man am besten durch Pakistan und hoch in den Norden Pakistans kommt. Da einige Wege und Gebiete nicht befahrbar sind (durch Erdrutsch und damit verbunden angestauter Fluss), ist die eine oder andere Umfahrung unumgänglich. Höre konzentriert seinen Ausführungen zu und Juan antwortet auch auf meine Fragen und Bedenken, ist aber weiterhin entschlossen, die Tour anzugehen. Ich für meinen Teil fühle mich etwas erleichtert und bestätigt, Pakistan in meiner Route auszusparen. Es wären viele lange Tagesfahrten hintereinander in unwegsamen Gelände nötig gewesen. Die Etappenziele sind ebenfalls mehr oder weniger vorgeschrieben. Von daher bin ich mit meiner Alternativroute, die ein klein wenig Afrika beinhaltet, ganz zufrieden. Kann ich doch so die Wegstrecken und Etappenziele selbst einteilen. OK, ein wenig länger als geplant werde ich dadurch schon unterwegs sein – aber hey, man will auch was sehen auf dem Weg und nicht nur fahren. Nach dem Besuch des großen Platzes mit dem anhängenden Bazar und der blauen Moschee mache ich mich auf den Weg nach Shiraz. Penepolis, durch Alexander den Großen zerstört, ist mein nächster Anhaltepunkt. Übernachte auf dem anliegenden Parkplatz mit Toilette zwischen Iranern, die es sich ebenfalls gemütlich machen, es sich aber nicht nehmen lassen, mich nebenbei noch zu verköstigen. Nach der Besichtigung der Tempelanlage am nächsten Morgen geht es weiter südöstlich nach Sirjan. Die Strecke gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Wüste. Asphaltband durch eine Gegend, die die Luft zum Flimmern bringt, viele verlassene Lehmbau-Dörfer, ausgetrockneter Salzsee, wenig besiedeltes Gebiet, Wasser gibt es nur in Dörfern auf Nachfrage. In Sanjan angekommen, werde ich erstmal in das Tourist Hotel geschickt. Da mir dies aber nicht zusagt, mache ich mich auf eigene Faust auf die Suche und werde auch fündig. Als ich abends von meinem Spaziergang durch die Stadt zurückkomme, werde ich schon von zwei Polizisten mit meinem Reisepass in der Hand erwartet (dieser wird vom Hotel immer bis zur Abreise einbehalten). Das übliche; Woher? Wohin? Wie lange? Reiseroute? Die Antworten werden in einen Block eingetragen. Nach einem Getränk auf das Haus und einigen Fragen zu meinem Moped (How much?) verabschieden sich die beiden wieder. Tags darauf darf ich erst nach einem Anruf und grünem Licht der Polizei vom Hof fahren. Richtung Kerman.

In Kerman an einer Tankstelle kommt es noch zu einer etwas komischen Situation. Fahre an eine Tankstelle um zu tanken. Stelle mein Motorrad an die Zapfsäule und warte auf den Tankwart mit seiner Tankkarte zu tanken. Der macht erstmal keine Anstalten, mir in irgendeiner Form seine Hilfe anzubieten, trotz dem Intervenieren anwesender Leute. Nach einer Zeit kommt er missmutig auf mich zu und schiebt die Tankkarte in die Zapfsäule, ich tanke. Nach sechs Litern ist Schluss mit Lustig. Gebe zu verstehen, dass ich gerne etwas mehr tanken würde (an den anderen Tankstellen zuvor konnte ich soviel tanken wie ich wollte oder bis der Tank voll war). Keine Reaktion, Tankkarte raus – bitte zahlen. Dies nimmt ein Autofahrer zum Anlass, sein Auto näher an mein Motorrad zu stellen (fährt meinen rechten Alukoffer an) als mir letztendlich lieb ist. Reklamiere dies und er meint nur lapidar, ich solle mein Moped einfach etwas weiter wegstellen. Gebe ihm zu verstehen, dass ich noch nicht fertig bin mit tanken und er doch sein Auto etwas zurück rollen soll. Als Reaktion darauf packt er mein Motorrad und will es eigenhändig weiter schieben. Jetzt reagieren auch einige der Anwesenden lautstark, einige pro, einige contra. Mit etwas mehr Nachdruck bringe ich mein Moped wieder vor der Zapfsäule in Stellung und ein paar Leute belagern jetzt wieder den Tankwart, um mir seine Tankkarte zur Verfügung zu stellen. Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck wird die Tankkarte wieder in die Zapfsäule gesteckt und mein Tank randvoll gefüllt. Die übliche Fragerei – woher? Wohin? How much? Kerman ist schon einer der südlichen Punkte Irans auf dem Weg nach Pakistan. Spätestens ab dem 170 km entfernten Ort Bam wird man von der Polizei auf der Straße abgefangen und bis an die pakistanische Grenze eskortiert. Ab Kerman beginnt das Gebiet der Benzin- und Zigarettenschmuggler in Richtung Afghanistan und Pakistan. Scharmützel mit der Polizei und dem Militär sind fast an der Tagesordnung. Vielleicht lässt sich damit die komische Situation erklären. Wie dem auch sei, ab jetzt ist die Fahrtrichtung mit Nordwest angegeben. Yazd und die Wüste kann ich nun nicht mehr vor mir her schieben, eine Entscheidung steht an.

Mein Moped durfte nicht mit aufs Zimmer.
Mein Moped durfte nicht mit aufs Zimmer.

Tapriz – Erstmal ankommen

11.07.2010

 

Heute am frühen Morgen fängt sie an, meine Besuchszeit für den Iran. 30 Tage stehen im Reisepass. Man sollte in diesem Zusammenhang aber nicht so viel Zeit damit verbringen, die im Reiseführer stehenden Einreiseformalitäten durchzulesen. Wie heißt es so schön, nichts ist so alt wie die Grenzformalitäten vom Tag zuvor.

Treffe kurz vor der Grenze drei Fahrradfahrer, halte kurz an um mit ihnen zu reden. Drei Deutsche auf dem Weg über den nördlichen Iran nach Turkmenistan. Irgendwie hat sich die Nordroute nach Turkmenistan bei den Reisenden eingebürgert. All die Globetrotter die ich treffe und die durch den Iran wollen, nehmen die nördliche Route nach Turkmenistan. Wie es ausschaut bin ich zu diesem Zeitpunkt der Einzige, der sich den Süden des Irans anschauen will und wird. Die drei haben sich während ihrer Tour unterwegs getroffen und gehen nun das Abenteuer Iran – Turkmenistan gemeinsam an. Sie sind mit einem 30-Tage-Touristenvisum für den Iran, aber nur mit einem 5-Tages-Tranitvisum für Turkmenistan ausgestattet. Sie sind aber zuversichtlich, die in etwa 500 km in den fünf Tagen zu schaffen. Wünsche ihnen eine gute Reise und mache mich wieder auf den Weg Richtung Grenze.

Schon einige Kilometer vor der eigentlichen Grenze bildet sich eine LKW Schlange, ich rolle langsam auf dessen Ende zu, um mich einzuordnen. Aber noch bevor ich richtig zum Stehen komme, werde ich von den LKW Fahrern vorbei gewunken. Fahre auf der Gegenfahrbahn an ihnen vorbei bis an das Tor zum Iran. Erstmal absteigen und mich erkundigen. Da kommen auch schon die ganzen Freunde und Helfer auf mich zu gerannt. Muss freundlich aber bestimmt erstmal alle beruhigen. Der Torposten hat irgendwann ein Einsehen, öffnet das Tor und lässt mich bis zur türkischen Seite einfahren. Ausreisestempel, gar nicht so einfach, wenn man mit vielen anderen Ausreisewilligen an einem Schalter steht, der nicht besetzt ist. Erkundige mich – es dauert etwas – ist die Antwort. Drücke meinen Reisepass einem Polizisten in die Hand in der Hoffnung, er möge diesen möglichst bald mit dem Ausreisestempel versehen. Mein Reisepass verschwindet dezent in seiner Innentasche, um sich dann ebenso dezent Richtung Stempelhäschen zu bewegen, um dann den Ausreisestempel eingestempelt zu bekommen. Ein paar Leute bekommen den Vorgang mit und werden nun um so lauter und drücken etwas mehr nach vorne in der Warteschlange. Ich werde weitergereicht zu den Iranern, Reisepass vorzeigen, Tor auf, Motorrad durchschieben, abstellen. Werde von einem Polizisten auf iranischer Seite in Empfang genommen und erstmal zum Tourist Office begleitet. Aufnehmen der Formalien – wohin? – woher? – wie lange? – ungefähre Reiseroute? Werde zwei Leuten vorgestellt die währenddessen dazugekommen sind. Wenn ich möchte, kann ich die Dienste von einem von beiden annehmen, um besser durch die Prozedur der Einreise zu kommen. Nehme dankend an. Reisepass und Carnet de Passage für das Moped verschwinden erst mal in den Tiefen der iranischen Bürokratie, während ich gebeten werde bei meinem Moped zu bleiben. Ab und an kommt mein Helfer mit der Bitte, mein Moped ein paar Meter weiter zu schieben. Nach etwa einer Stunde stehe ich an der Schwelle zum Iran. Eine letzte zaghafte Durchsuchung meiner Habseligkeiten und der Schlagbaum wird – nach Rückgabe meiner gestempelten Papiere – hochgezogen. Geht dann erstmal etwa zwei Kilometer bergab zum nächsten Schlagbaum, nochmals ein kurzer Blick des Grenzsoldaten auf meinen Reisepass und der letzte Schlagbaum erhebt sich. Nach Abschluss einer Unfallversicherung für mein Moped und mich selbst über 100,- Euro für 30 Tage und Umtausch von etwas Euro in die lokale Währung „Lira“ (1 Euro – 13 000 Lira oder 1 300 Tuman) bin ich frei beweglich im Iran angekommen. Alles in allem etwa 1 ½ Stunden Zeitaufwand für die Einreise. Ach ja, 10,- Euro für meinen Einreisehelfer waren noch fällig. Tankkarte? Fehlanzeige, getankt wird auf die Tankkarte des jeweiligen Tankwartes (umgerechnet etwa 35 Eurocent pro Liter Benzin). Nummernschild? Fehlanzeige, für Motorräder gibt es keine Nummernschilder und für PKW oder LKW auch nur, wenn das Fahrzeug mehr als 30 Tage im Land bleibt. Also alles viel unkomplizierter als im Reiseführer beschrieben – aber wie schon erwähnt, kann sich bis heute alles wieder geändert haben. Also, hinfahren und selber ausprobieren, nur so habt ihr Gewissheit über die genauen Einreiseformalitäten in den Iran.

Nach einer kurzen Orientierungsphase habe ich Tabriz, die nächst größere Stadt etwa 280 km südöstlich als mögliche Übernachtungsoption ausgewählt. Auf geht’s. Nach kurzer Fahrt sehe ich am Straßenrand ein Motorrad stehen. Anhalten. Schon beim Näherkommen fällt das Rottweiler Kennzeichen (Anm. Rottweil liegt nur ein paar Kilometer von meinem Heimatort entfernt) einer Afrika Twin ins Auge. Manfred aus Rottweil – sechs Wochen Urlaub – war für 3 ½ Wochen im Iran unterwegs und befindet sich nun wieder auf dem Nachhauseweg. Manfred erzählt mir, dass er in nur fünf Tagen von Rottweil in den Iran gefahren ist und nun dafür für den Nachhauseweg sage und schreibe zwei Wochen Zeit hat. Unterhalten uns noch kurz, bekomme so ein paar nützliche Informationen über Land und Leute, bevor sich dann jeder wieder auf den Weg begibt.

Der Iran stellt sich erstmal als sehr warm heraus. Straßen sind gut ausgebaut und die Leute auf die ersten Fragen nach der Fahrtrichtung freundlich und hilfsbereit. Fahre spätnachmittags Richtung Stadtmitte von Tabriz. Irgendwann verliere ich den Überblick – viele Einbahnstraßen, keine Chance sich dem Verkehrsfluss zu entziehen, Beschilderung meist Mangelware oder in den hiesigen Schriftzeichen ausgestellt. Halte am Straßenrand, um einen Taxifahrer nach dem Weg zu fragen oder ihn zu bitten, vorauszufahren. Versuche mich gerade verständlich zu machen, als ein Auto neben meinem Moped anhält, um ein paar Leute aussteigen zu lassen und zu verabschieden. Der Taxifahrer ruft den Mann zu sich und fragt ihn, ob er etwas Englisch versteht. Hussein, der Name des Mannes, versteht nicht nur etwas Englisch, sondern spricht auch noch verständliches Deutsch – Ergebnis eines sechsmonatigen Besuchs einer Abendschule. Lege ihm mein Problem dar – suche ein Hotel in oder in der Nähe der Stadtmitte mit Zugang zum Bazar. Hussein überlegt kurz und bittet mich dann ihm hinterher zu fahren. An der nächsten Ampel fragt er mich, ob ich noch genügend Sprit im Tank hätte, erkläre ihm, dass der Sprit noch für die nächsten Kilometer reichen wird und ich dann tanken werde, wenn ich mich wieder auf den Weg mache. Wo fährt Hussein hin? Zu sich nach Hause. Holt einen 20 Liter Kanister mit Benzin hervor und bittet einen Teenager von der Straße meinen Tank am Moped zu füllen. Was dieser mit Freude und Eifer bereit ist zu tun und sofort mit dem Befüllen beginnt. Als der Zusatztank voll ist und die Leute bemerken, dass der Sprit in meinen Haupttank läuft, wird der Teenager beauftragt, solange nachzufüllen, bis der Tank wirklich voll ist. Was soll ich schreiben? Der Teenager blieb wirklich neben meinem Moped stehen und hat dem Benzin nachgeschaut wie es in den Haupttank läuft und nachgefüllt bis zur äußersten Gewindewindung am Tankstutzen. Hatte meinen Tank bis dahin noch nie so voll gehabt. Damit aber noch nicht genug, musste meine Trinkvorräte mit Eiswasser auffüllen, zwei Gläser Ananassaft trinken, während mein Moped auf der Straße vom gröbsten Dreck befreit wurde. Musste mehrmals freundlich die Einladung Husseins abschlagen bei ihm zu übernachten, dann erst ging es Richtung Hotel. Ausgebucht. Feierabendverkehr auf den Straßen. Kein Durchkommen mehr für Autos. Hussein erklärt mir das Gassengewirr zwischen den Häusern und schickt mich schließlich mit dem Namen eines weiteren Hotels auf die Reise. Nicht ohne mir vorher seine Telefonnummer zu geben, falls Probleme auftauchen. Verfahre mich natürlich in dem ganzen Gewirr von Gassen und stehe schließlich wieder auf der total verstopften Hauptstraße. Geschiebe, Gehupe, Austausch freundlicher Wörter (die ich - vielleicht zum Glück - nicht verstehe). Bemerke in einiger Entfernung ein Hotel, das vom Aussehen her meiner Preisklasse entsprechen könnte. Ausscheren, mich halb auf der Straße - halb auf dem Gehweg vordrängen und Moped erstmal vor dem Hotel abstellen. Erkundige mich, das Hotel ist nach etwas verhandeln zwar akzeptabel im Preis, aber im Moment ist kein Zimmer frei. In ein oder zwei Stunden kann eines frei werden, wenn ein Gast seinen Flug bekommt, um den er sich gerade kümmert und bemüht. Abwarten, treffe vor dem Hotel Marcay mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Schweizer Ehemann. Kommen ins Gespräch und die beiden erzählen mir, dass Marcay ein Gästehaus in Kirgistan betreibt, sie aber für die nächsten zwei Monate ihre Eltern im Iran besuchen wollen. Sie hoffen, dass sich in dieser Zeit die Lage in Kirgistan soweit beruhigt hat, dass sie zurückkehren können. Marcay und der Mann von der Rezeption erklären mir, dass ich im heißesten Sommer seit Jahren im Iran unterwegs bin. Frage, ob es denn ohne weiteres möglich wäre, durch die Wüste zu fahren. Einhellige Antwort – zu heiß, schwierige Spritversorgung, Wasserprobleme und schon gar nicht alleine auf dem Motorrad um diese Jahreszeit. OK, Wüstenfahrt erstmal hinten angestellt.

Nachdem das Zimmer frei wird, steht einer Unterbringung meines Mopeds direkt vor der Rezeption nichts mehr im Wege. Es wird ein Keil vor die große Stufe gelegt und ich fahre direkt bis vor die Rezeption, während Marcay und noch ein paar andere dieses Ereignis mit ihrem Foto festhalten. Etwas erschöpft genehmige ich mir noch das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, wobei ich am nächsten Morgen erstmal nachfragen muss, wer denn nun Fußballweltmeister geworden ist.

Einreise ohne Probleme, heißer Tag, mehr als hilfsbereite Leute, voller Tank, Moped in Sicherheit direkt vor einer Rezeption, es scheint, ich bin im Iran angekommen.