Auf dem Weg - In Wort und Bild

16 Äthiopien

Über die Brücke des Awash, nicht mit dem Moped!
Über die Brücke des Awash, nicht mit dem Moped!

Kleiner Rechtsschwenk

08.12.2010

 

Bin nun schon ein paar Tage in Addis Abeba, habe ein paar Freunde und Bekannte von früher getroffen und fahre gerade zu einer Verabredung, als mir an einer kleinen Weggabelung eine große 1100 GS entgegenkommt. Der Fahrer schaut in den Rückspiegel, hält an und macht kehrt. Ich fahre an die Straßenseite und warte. Dylan, ein Schweizer, unterwegs einmal rund um die Welt. Wir verabreden uns für den Abend.

Erzählen uns am Abend unsere Reisegeschichten und finden dabei heraus, dass wir beide für die nächsten Länder in etwa die gleiche Reiseroute haben. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich vorhatte mein Moped in Addis Abeba in den Flieger zu packen und nach Kathmandu fliegen zu lassen, um von Nepal aus nach Indien zu gelangen. Dylan wollte so gut es geht auf dem Landweg nach Indien fahren. Wir reden so in den Abend hinein und kommen zu dem Schluss, bis Indien zusammen zu fahren. In den nächsten Tagen besorge ich mir das Visum für Dschibuti und Dylan und ich verabreden uns in Dschibuti in zwei Wochen. Dylan will noch den Norden Äthiopiens unter die Räder nehmen und ich mache mich, einer Einladung folgend, auf in den Osten des Landes nach Dire Dawa, einer ehemaligen Königsstadt. Die Straßen nach Dire Dawa sind sehr gut ausgebaut und es geht am Rande der Danakil Wüste entlang, eine der heißesten und trockensten Wüsten der Erde. Die Straße führt durch den Awash Nationalpark und man bekommt einen kleinen Eindruck der Hitze, die da herrscht. Nach dem Awash Nationalpark passiert man Awash Town, um schließlich auf einer Brücke über den Awash Fluss zu fahren. Und genau diese Brücke über den Awash Fluss ist ein gutes Beispiel für die Beschäftigungstherapie der Soldaten, die eben diese Brücke bewachen.

Vielleicht eines vorneweg, in Äthiopien werden noch 90 Prozent der Brücken von Soldaten bewacht. Diese stehen an den jeweiligen Enden und passen auf, dass auch niemand die Brücke passiert, der dies eben (warum auch immer) nicht darf. Durch meinen Aufenthalt in Äthiopien weiß ich, dass man mit Fahrzeugen mit „nur“ zwei Rädern – also Mopeds, Fahrräder –die Brücke über den Awash Fluss nicht befahren darf (warum auch immer, habe dies in meiner Zeit in Äthiopien nicht herausfinden können). Mopeds müssen auf einen Pick-up verladen und die Fahrräder müssen über die Brücke geschoben werden (warum auch immer). Es gibt nicht allzu viele mir bekannte Mopedfahrer – Ferentschies wie auch Äthiopier – die es geschafft haben mit dem Moped über die Awash Brücke zu fahren. Wer es mal geschafft hat, ist bekannt in der kleinen Mopedszene in Äthiopien.

Wie dem auch sei - ich fahre durch Awash Town, werde dabei von einem Kleintransporter überholt und sehe darin meine Chance. Nach Awash Town geht es etwas bergab auf die Awash Brücke zu. Ich schließe etwas zu dem Kleintransporter auf und bin nun direkt hinter ihm. Für die Soldaten fast unbemerkt. Dem Kleintransporter wird keine Aufmerksamkeit geschenkt und darf passieren. Ich folge unmittelbar hinterher und fahre so an den verdutzten Soldaten vorbei über die Brücke. Schockstarre. Nervöse Handlungen und Zurufe. Plötzlich werden alle Soldaten auf und an der Brücke ziemlich munter. Auf der anderen Seite versuchen die Soldaten ihren „Fauxpas“ wieder auszubügeln. Werde ziemlich rüde und unverhofft von einem Soldaten, der mit Kalaschnikow im Anschlag auf die Fahrbahn springt, zum Anhalten gezwungen. Soldaten rennen auf mein Moped zu und ich bin innerhalb weniger Sekunden von etwa 12 Soldaten „umzingelt“. OK, stehe da mit laufendem Motor mitten auf der Fahrbahn. Der Soldat mit der Kalaschnikow im Anschlag steht noch immer noch vor meinem Moped. Keiner weiß im Moment, was er tun soll. Alle schauen sich etwas verwirrt an. Es ist 10.30 Uhr. Um ihre Unsicherheit etwas zu überspielen geben die Soldaten mir zu verstehen mein Moped auszuschalten. Es von der Fahrbahn zu bringen. Um die inzwischen aufgestauten Fahrzeuge vorbei zu lassen. Als ich dem nicht unmittelbar Folge leisten will, versuchen zwei Soldaten den Schlüssel am Moped abzuziehen und den Seitenständer auszuklappen. Mit etwas Nachdruck unterbinde ich den Versuch. Die aufgestauten Fahrzeuge werden erstmal vorbei gewunken. Da „Fluchtgefahr“ besteht, hält ein Soldat die ganze Zeit krampfhaft mit beiden Händen meinen Lenker fest, um so ein Entkommen zumindest zu erschweren. „Switch off“, sind die einzigen Worte, die er mir auf meine Fragen erwidert. Stehe immer noch mit laufendem Motor auf der Fahrbahn. Habe schließlich ein Einsehen und schalte den Motor ab. Der Soldat lockert etwas seinen Griff am Lenker, hält ihn aber immer noch fest. Inzwischen haben die Soldaten einen Vorgesetzten organisiert, der etwas Englisch spricht. Dieser erklärt mir nun mein Vergehen und den Sachverhalt.

„Man darf nicht mit einem Moped über diese Brücke fahren. Fahre zurück nach Awash Town, organisiere ein Pick-up und lasse dein Moped rüber fahren.“

„OK, wusste nicht, dass man mit einem Moped nicht über diese Brücke fahren darf – stand auch nirgends und es hat mir auch keiner gesagt.“

„Kein Problem, fahre zurück und verlade es auf einen Pick-up, der es dann rüber fahren kann.“

„Wie soll ich zurück über die Brücke fahren, wenn es doch verboten ist mit einem Moped über diese Brücke zu fahren?“

„Es war Dein Fehler. Du bist verbotenerweise über die Brücke gefahren. Also, fahre zurück und organisiere ein Pick-up.“

„Kannst Du mir zeigen wo es geschrieben steht, dass man mit einem Moped nicht über diese Brücke fahren darf?“

„Es ist verboten mit einem Moped über diese Brücke zu fahren, das weiß jeder hier.“

„OK, mein Fehler. Bin über die Brücke gefahren über die ich nicht fahren dürfte. Würde gerne zurückfahren und einen Pick-up organisieren. Aber, wie Du mir inzwischen schon mehrmals gesagt hast, ist es verboten mit einem Moped über die Brücke zu fahren. Ich kann also nicht mit meinem Moped zurück fahren und einen Pick-up organisieren. Selbst wenn ihr es mir erlaubt, es ist ja verboten.“

„Wie ist Deine Nationalität?“

„Ich komme aus Deutschland.“

„Bist Du den ganzen Weg von Deutschland bis Äthiopien gefahren?“

„Ja.“

„Wo willst Du hin?“

„Nach Dire Dawa und danach nach Dschibuti.“

„Was willst Du da?“

„Dire Dawa ist ein sehenswertes Touristenziel, wie mir in Addis gesagt wurde und in Dschibuti will ich ein Boot finden, das mich in den Jemen übersetzt.“

„Was willst Du im Jemen?“

„Weiter in den Oman.“

„Nach dem Oman?“

„Weiter nach Dubai.“

„Nach Dubai?“

„Weiter nach Indien.“

„Nach Indien?.“

„Weiter nach Nepal.“

Die Aufmerksamkeit der Soldaten nimmt zu und ihre Skepsis schlägt etwas in Bewunderung um.

„Bist Du auf einer Weltreise?“

„Nein, ich will nur nach Australien.“

„Fahre zurück und organisiere einen Pick-up, der Dich über die Brücke bringt.“

„OK, nochmals. Ich kann nicht zurück über die Brücke fahren, da es ja verboten ist. Wie Du und auch viele Deiner Kollegen mir inzwischen mehrmals gesagt habt. Ich denke wir müssen zusammen eine Lösung finden.“

„Wie ist Dein Name?“

„Martin.“

„Hast Du ein Visum für Äthiopien?“

„Ja, sonst dürfte ich nicht nach Äthiopien einreisen.“

„Ausweis!“

„Warum?“ (Nie den Ausweis herausgeben, man ist sonst dem Gegenüber völlig ausgeliefert.)

„Ich will Deine Personalien überprüfen.“

„Darf ich dann weiterfahren?“

„Wenn ich die Personalien überprüft habe und sie stimmen, darfst Du weiterfahren.“

Gebe den Reisepass nicht aus der Hand. Halte den Ausweis so, dass der Soldat die Personalien überprüfen kann. Nach genauer Durchsicht und Bestätigung eines anderen Soldaten sind meine Angaben richtig und mein Visum noch gültig.

„Kann ich jetzt weiterfahren?“

„Nein!“

„Warum nicht? Du hast doch gesagt, wenn meine Personalien stimmen darf ich weiterfahren.“

„Wenn Du nicht zurückfahren willst, muss ich meinen Vorgesetzten informieren. Hast Du ein Telefon, damit ich ihn anrufen kann?“

„Wenn Du Deinen Vorgesetzten informieren musst, OK, kann ich verstehen. Telefon, nein, habe ich nicht. Tut mir leid.“

„Kein Problem, kann auch meines nehmen.“

„Wo ist denn Dein Vorgesetzter?“

„Etwas weiter im nächsten Dorf.“

„Wenn Du willst kann ich auch dahin fahren und mit Deinem Vorgesetzten sprechen.“

„Nein das geht nicht, Du darfst nicht weiterfahren. Du musst zurück nach Awash Town, einen Pick-up organisieren, der Dich über die Brücke bringt.“

„OK, ruf Deinen Vorgesetzten an. Ich warte.“

Der Soldat ruft seinen Vorgesetzten an. Nach dem Gespräch gibt er mir zu verstehen, dass ich hier zu warten hätte, bis sein Vorgesetzter eintrifft. Dauert ein wenig. Der Soldat, der sich immer noch an meinem Lenker festhält, gibt mir zu verstehen, dass ich mein Moped endlich aus der Mittagssonne an den Straßenrand in den Schatten stellen soll. Die Sonne brennt ziemlich stark und er möchte aus der Sonne. Nichts da, wenn schon auf den Vorgesetzten gewartet werden muss, bleibe mit meinem Moped mitten auf der Fahrspur stehen – der Soldat hält weiter meinen Lenker fest. Schlussendlich steht sein Vorgesetzter vor meinem Moped. Lässt sich mein Vergehen von seinen Untergebenen darlegen und wendet sich schließlich zu mir.

„Du bist auf dem Weg nach Australien?“

„Ja.“

„Es ist verboten mit einem Moped über diese Brücke zu fahren. Du hast einen Fehler begangen. Also fahre zurück nach Awash Town und organisiere einen Pick-up der Dich und Dein Moped über die Brücke bringt.“

„Ja, ich weiß inzwischen, dass ich einen Fehler begangen habe und ich mit meinem Moped nicht über die Brücke hätte fahren dürfen. Aber ich habe dies nicht gewusst und es stand auch nirgends ein Hinweis darauf. In Addis Abeba haben sie mir gesagt, dass es kein Problem ist nach Dire Dawa zu fahren und keiner hat mich darauf hingewiesen, dass man mit einem Moped nicht über die Awash Brücke fahren darf. Also, wie soll ich zurück fahren nach Awash Town, wenn doch jeder hier schon mehrmals zu mir gesagt hat, dass es verboten ist mit einem Moped über diese Brücke zu fahren. Sorry, aber was soll ich jetzt machen. Wenn ich nicht bald weiterfahren darf, komme ich in der Dunkelheit in Dire Dawa an.“

„Die Sache muss erst geklärt werden. Vorher darfst Du nicht weiterfahren.“

„OK, klärt die Sache. Wenn es länger dauern sollte, habe ich auch kein Problem damit hier bei Euch zu übernachten. Habe mein Zelt dabei und kann es jederzeit auspacken.“

Die Soldaten beraten sich eine gefühlte Ewigkeit. Da sich die Soldaten sicher sind, dass der Ferentschie ihre Sprache, Amharisch, nicht beherrscht, unterhalten sie sich ziemlich ungezwungen in meiner Nähe. Ich bekomme so mit, dass sie nicht wissen, wie sie mit mir weiter verfahren sollen. Der Vorgesetzte wendet sich wieder mir zu.

„Du musst Dich vorher besser informieren, wenn Du in Äthiopien unterwegs bist. Die Leute in Addis Abeba wissen auch nicht immer alles. Ich lasse Dich fahren, aber merke Dir für die Zukunft – über die Awash Brücke dürfen keine Mopeds fahren und den Anweisungen der Soldaten ist unbedingt Folge zu leisten, sie wollen Dir nur helfen.“

„OK, wenn ich wieder mal hier vorbei kommen sollte, weiß ich bescheid. Pick-up organisieren und mich und mein Moped über die Awash Brücke fahren lassen.“

„Fahre mir hinterher, ich gebe Dir ein Zeichen, wenn Du allein weiterfahren kannst. Fahre nicht in der Dunkelheit. Das ist gefährlich.“

Fahre dem Landcruiser hinterher. Kurze Zeit später kommt das Zeichen und gegen 14.00 Uhr bin ich wieder Richtung Dire Dawa unterwegs. Geht doch, und das Ganze hat auch nur etwas über drei Stunden gedauert. Komme in der Dämmerung in Dire Dawa an.

Um meinen Weg nach Dschibuti einschlagen zu können, muss ich die gleiche Traumstraße für Mopeds etwa 280 km wieder zurückfahren. Nein, nicht ganz bis zur Awash Brücke. Etwa zwei Kilometer vor der Awash Brücke geht es rechts ab durch die Wüste. Die Soldaten grüßen mich freundlich. Sie kennen den Ferentschie noch, der mit seinem Moped über die Awash Brücke gefahren ist. Wieder springt ein Soldat vor meinem Moped auf die Straße, diesmal ohne Kalaschnikow, zwingt mich so zum Anhalten. Fluche innerlich schon und überlege, was ich denn dieses Mal getan habe, was ich nicht hätte tun sollen. Der Soldat lächelt und lädt mich zu einem Tee ein, dabei wird die ganze Geschichte nochmals erzählt. Sie lassen es sich auch nicht nehmen, mich nochmals darüber zu belehren, dass es verboten ist mit dem Moped über die Awash Brücke zu fahren. OK, habe es kapiert. Auf einer etwas eintönigen aber sehr guten Straße geht es nach dem Tee Dschibuti entgegen.

Polizei, dein Freund und Helfer. Auch in Äthiopien.
Polizei, dein Freund und Helfer. Auch in Äthiopien.

Immer gut, wenn man jemand kennt

19.11.2010

 

In einem Anflug von Vorfreude öffne ich etwas mein verdrecktes Visier, um frische Luft zu genießen und auch besser sehen zu können. Wie auf Kommando macht sich das ein Insekt zunutze und fliegt mit Karacho direkt in mein linkes Auge. Nicht so schlimm, denke ich, jeder Schmerz geht mal zu Ende. Falsch gedacht, das Insekt erweist sich als sehr aufdringlich und will sich nicht von meinem Auge verabschieden, da kann ich mit dem Finger reiben soviel ich will. Stoppe am Wegesrand und versuche das Insekt im Auge loszuwerden. Doch alle Versuche scheitern kläglich, das Insekt lässt sich nicht entfernen. OK, erstmal in Bahir Dar ankommen und dann weitersehen. Kneife das linke Auge zu und fahre weiter. Komme in der Dunkelheit in Bahir Dar an und mache mich gleich auf den Weg zum Ghion Hotel. Stelle mein Zelt auf und treffe mich mit ein paar Leuten „von damals“ auf ein Bier (St. Georges). Mein Auge schmerzt und tränt, verfluche im Stillen das Insekt. Bekomme die Augenlider nur unter großer Anstrengung geöffnet. Heute kann man da wohl nichts machen, warten auf morgen, kenne noch einen guten Augendoktor hier in Bahir Dar. Am nächsten Tag ist das Auge angeschwollen und tränt immer noch. Konnte in der Nacht fast „kein Auge zumachen“, sprich – habe sauschlecht geschlafen. Auf zum Augendoktor.

Durch die Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 30 jährigen Bestehen der regierenden Partei sind einige Straßen in Bahir Dar gesperrt und ich gelange über ein paar Nebenwege zur Augenklinik. Das Insekt ist schnell gefunden und der Augenarzt muss meinen Augapfel etwas drehen um das Insekt, das hinter dem Augapfel sitzt, entfernen zu können. Dabei entdeckt er auch noch, dass ein winziger Dorn in meinen Augapfel steckt. Auch dieser wird entfernt und „augenblicklich“ geht es meinem Auge besser. Nach dem Begleichen der Rechnung von etwa 5 Euro mache ich mich auf den Rückweg. Es wird höchste Zeit, denn kurze Zeit später werden die Straßen komplett für die Feierlichkeiten abgesperrt. Beim Einbiegen auf die Hauptstraße muss ich auf einer zuvor abgesperrten Straßenseite etwa 10 m entgegen der Fahrtrichtung fahren, um zurück auf meine Fahrspur zu gelangen. Sollte kein Problem sein, da die Spur für den Verkehr eh abgeriegelt ist und weit und breit kein Auto zu sehen ist. Weit gefehlt, es pfeift in meinem Rücken. Ein Polizist, wie ich gerade noch in einem der Rückspiegel erkennen kann, in seiner Ausgehuniform anlässlich der Feierlichkeiten, lässt aufgeregt seine Arme durch die Luft wirbeln. Denke noch – kann nicht mich gemeint haben - will eigentlich weiterfahren und halte schließlich doch an. Der Polizist macht ein paar Armbewegungen (nicht in meine Richtung), aber keine Anstalten sich mir zu nähern. Die Leute geben mir zu verstehen ich solle weiterzufahren, also fahre ich weiter. Das Pfeifen der Trillerpfeife ertönt wieder, diesmal etwas hektischer und auch die Armbewegungen sehen nicht mehr so koordiniert aus. Fahre weiter zum Ghion Hotel und bringe gerade mein Moped auf dem Seitenständer zum Stehen, als sich der Polizist vom Sitz eines Toyota Landcruisers – den er zuvor kurzerhand auf der Straße angehalten hat – schält, sofort meine Richtung einschlägt und sich vor mir und meinem Moped aufbaut. Sofort sind wir von Leuten umringt. Der Polizist, des Englischen nicht mächtig, erklärt mir auf Amharisch mein Verkehrsverbrechen – befahren einer abgesperrten Fahrspur entgegen der Fahrtrichtung -und verlangt meinen Führerschein. Kann sein Amharisch verstehen, will aber meine Sprachkenntnisse erstmal nicht preisgeben und frage auf Englisch, ob ich denn einen Fehler begangen hätte. Dadurch wird er noch etwas lauter und wendet sich nun auch an die Leute um uns herum, mit der Absicht seinem Anliegen dadurch mehr Gewicht zu verleihen. Mit der Zeit reden alle wild durcheinander und mein Verkehrsvergehen wird immer lauter und kontroverser diskutiert. Bisrat, der Sohn des Besitzers des Ghion Hotels, kommt hinzu und fragt was denn los sei, ob es ein Problem gebe. Bisrat, den ich noch von meiner Zeit als Entwicklungshelfer kenne, steht ab nun zwischen den Fronten. Auch der Polizist ist ein Bekannter der Familie von Bisrat. Er zieht uns erstmal von den Leuten weg und lässt sich den Sachverhalt erklären. Anschließend bittet er mich, dem Polizisten meinen Führerschein auszuhändigen. Ungern. Wie das so ist in manchen Ländern, hat man seine Papiere erstmal ausgehändigt, ist man dem Gegenüber ausgeliefert und fest in seiner Hand. Gebe schließlich Bisrat meinen Führerschein unter seinem Versprechen, dass das Dokument nicht das Gelände des Ghion Hotels verlassen wird. Der Polizist hält den Führerschein in der Hand, dreht ihn mehrmals in seiner Hand und fragt, ob denn dies der Führerschein sei oder ich noch ein anderes Dokument hätte. Ja, das ist der Führerschein und nein, ich habe kein anderes Dokument. Der internationale Führerschein wird von ihm verlangt. Nach einer kleinen Diskussion bringe ich ihm den internationalen Führerschein und als er diesen verkehrt herum hält und „liest“, ist auch dem Letzten klar, dass er nur seine Autorität zum Ausdruck bringen will. Er wird nun von den Umstehenden Leuten bedrängt und auch Bisrat versucht ihn nun zu überzeugen mir meine Papiere wieder zurückzugeben und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es sei ja schließlich niemand zu Schaden gekommen und alle hätten ihren Teil zur Aufklärung in der Sache beigetragen. Doch so einfach will sich der Polizist nun doch nicht überzeugen lassen, gilt es doch, sein Gesicht vor den umstehenden Leuten zu wahren. Nach einer kleinen Belehrung meinerseits über Verkehrsregeln, nämlich nicht entgegen der Fahrtrichtung zu fahren und anzuhalten wenn ein Polizist pfeift, und dem Versprechen von Bisrat ihn wieder an seinen Standort zurück zu fahren, händigt er Bisrat meine Papiere aus. Die Leute gehen wieder ihres Weges und sind dankbar, dass der „Ferentschi“ etwas zu ihrer Unterhaltung an diesem Tage beigetragen hat.

Froh ohne ein Bußgeld bezahlen zu müssen und von sonstigen „Bestrafungen“ verschont geblieben zu sein, bin ich die nächsten zwei Tage zu den Feierlichkeiten der regierenden Partei zu Fuß in Bahir Dar unterwegs.

Westlich am Lake Tana, Bahir Dar entgegen.
Westlich am Lake Tana, Bahir Dar entgegen.

Lake Tana - Südwest

14.11.2010

 

Fahre durch Metema, der sudanesisch äthiopischen Grenze entgegen. Der Grenzpunkt ist für mich nicht so einfach als solcher zu identifizieren. Die Dorfstraße führt auf eine kleine Brücke zu, vorbei an Wellblechhütten und Häusern, die ihre besten Tage schon gesehen haben. Mir wird erst an der Brücke durch das quer über die Straße hängende Seil bewusst, dass es sich hierbei um den Grenzpunkt handeln muss. Schon werde ich von Leuten umringt, die sich mir als potenzielle Hilfe für den zu bewältigenden Papierkram, der immer an einem Grenzübertritt anfallen kann, anbieten. Werde von den Jungs erstmal wieder ein paar Meter zurück geschickt, an das sudanesische Grenzhäuschen. Fahre zurück zu dem Grenzhäuschen und werde auch schon von einem sudanesischen Beamten in Empfang genommen. Die Ausreiseprozedur nimmt seinen kurzen Lauf und nach Erhebung einer kleinen Gebühr für die Bemühungen der Beamten ist auch schon der Stempel im Carnet de Passage. Nach persönlicher Abholung des Ausreisestempels darf ich auf die äthiopische Seite der Brücke fahren. Das Seil wird heruntergelassen und ich werde freundlich vom Sudan verabschiedet. Von den äthiopischen Grenzbeamten werde ich freundlich lächelnd mit einem „Thianestilin“ (Hallo) empfangen. Stelle mein Moped am Straßenrand ab und werde mit einem kleinen Jungen handelseinig. Ab sofort ist er für ein kleines Taschengeld für mein Moped und die Ausrüstung verantwortlich. Übergabe des Obolus nach Beendigung meiner Grenzformalitäten. Drücke dem sichtlich stolzen Jungen meinen Helm in die Hand und mache mich auf, dem Grenzbeamten in sein Office zu folgen. Immer noch freundlich lächelnd fragt mich der Grenzbeamte nach dem Schreiben der deutschen Botschaft, dass die temporäre Ein- und Ausfuhr des eigenen Fahrzeuges nach und aus Äthiopien „legalisiert“. Ebenso freundlich lächelnd lege ich ihm das verlangte Papier vor, das nun in meiner Anwesenheit sorgfältig und laut vorgelesen und für tauglich befunden wird.

Zur Erklärung, dieses Schreiben der jeweiligen Botschaft wird seit etwa zwei Wochen vom äthiopischen Zoll - und nur an diesem Grenzübergang – verlangt und hat schon für viel Aufruhr unter den Reisenden gesorgt. Man hört von Leuten, die tagelang an der Grenze ausharren mussten, bis das erlösende Schreiben per Email eingetroffen ist. Mit dem Schreiben will der äthiopische Zoll eine Garantie der jeweiligen Botschaft, dass das Fahrzeug im Land nicht verkauft wird – was in etwa der gleiche Wortlaut wie im Carnet de Passage ist - paradoxerweise wird aber als erstes nach dem Carnet de Passage gefragt.

Wie dem auch sei, ich wurde schon in Khartum von anderen Reisenden aus Äthiopien auf dieses Schreiben aufmerksam gemacht und konnte mir das Schreiben per Email von der deutschen Botschaft in Addis Abeba anfordern. Diese war von der Wichtigkeit des Schreibens schon informiert und innerhalb desselben Tages war das erforderliche Papier in meinem elektronischen Briefkasten, musste nur noch ausgedruckt werden.

Wie schon erwähnt; aufgrund des Schreibens wird das Carnet de Passage bearbeitet und der Einfuhrstempel sorgfältig auf die vorgesehene Stelle gedrückt. Auf die lapidare Frage einer der Grenzbeamten; „Warst du schon mal hier?“ antworte ich leichtsinnigerweise mit ja, da ich dachte, Äthiopien ist gemeint. Der junge Mann meint aber den Grenzübergang in Metema. Holt nun ein großes Buch hervor, das den kompletten Schreibtisch abdeckt, und fängt von der ersten Seite an meinen Namen zu suchen. Als ich das große Buch sehe und mir die Tragweite meiner leichthin gesprochenen Antwort bewusst wird, versuche ich ihm zu erklären, dass ich noch nie an dem Grenzübergang in Metema war, aber schon mal in Äthiopien und ich seine Frage so verstanden hätte. Keine Chance, es werden alle Seiten in dem großen Buch umgeblättert und nach meinem Namen gesucht. Ich setze mich schon mal auf etwas, was wie ein Stuhl aussieht und warte das Ergebnis ab. Wer schon mal in Äthiopien war, weiß, dass sich der beflissene Grenzbeamte nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen lässt und seine selbst gestellte Aufgabe zu aller Zufriedenheit ausführen wird. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist sich der Beamte (und auch seine Kollegen) sicher meinen Namen nicht im großen Buch gesehen bzw. gefunden zu haben. Ich darf weiter zum nächsten Office und mein Carnet de Passage sowie meinen Reisepass mit dem Einreisestempel in Empfang nehmen. Mit den Worten; „Willkommen in Äthiopien“, werde ich von den Grenzbeamten verabschiedet.

Auf der Straße kommt mir der Junge mit meinem Helm in der Hand entgegen und berichtet mir nicht ohne Stolz, dass alles noch da sei. Gebe ihm den vereinbarten Obolus und einer Weiterfahrt durch meine „alte Heimat“ steht nun nichts mehr im Wege. Alte Heimat deswegen, weil ich in Äthiopien einige Jahre als Entwicklungshelfer arbeiten durfte.

Mein erster Weg führt mich auf unbefestigten Wegen nach Gondar, einen ehemaligen, ebenfalls Moped fahrenden Kollegen besuchen. Die Freude ist groß und ein Bier schnell zur Hand. Am nächsten Tag sitze ich auf dem Stuhl eines lokalen Hairstylisten, als ich den vertrauten „Sound“ eines mir bekannten Mopeds wahrnehme. Gogo, auf dem Weg nach Kenia, den ich in Aswan / Ägypten kennen gelernt hatte und der mit mir auf der gleichen Fähre in den Sudan übergesetzt war, kommt angefahren. Sieht mein Moped am Straßenrand, setzt sich neben mich und lässt sich die Haare ebenfalls stylen. Nach dem Stylen unserer Haarpracht übergibt mir Gogo freudestrahlend das Einbeinstativ; das ich versehentlich am Blue Nil Sailing Club in Khartum habe liegen lassen. Hatte dies schon abgeschrieben, aber nun steht Gogo vor mir, strahlend über das ganze Gesicht, mit dem Stativ in der Hand. Ich revanchiere mich bei Gogo mit einem opulenten äthiopischen Essen. Dieser ist zuerst nicht so ganz sicher, ob er diese Einladung zum Essen annehmen soll, er hat schon viel über das äthiopische Essen gehört – nicht immer nur Gutes. Aber wir sind ja schließlich in solchen Ländern unterwegs um auch mal multikulturell zu wirken. Keine Ausrede, mein ehemaliger Kollege begleitet uns und so lassen wir uns Intschera mit Tipps schmecken. Es ist für mich eine Gaumenfreude, wieder mal Intschera (lokales pfannkuchenähnliches Brot auf Sauerteigbasis) mit Tipps (Lammfleischstückchen auf einem kleinen Holzkohleofen zubereitet) essen zu dürfen. (Kleine Anmerkung; ich kenne nicht viele Nichtäthiopier, die Intschera freiwillig essen). Dabei wird mit dem lokalen Bier, St. Georges, angestoßen. Gogo hat alles bei sich behalten können und so die äthiopische Küche für gut befunden. An den nächsten zwei Tagen machen Gogo und ich es uns im Haus meines Kollegen gemütlich und lassen unseren Mopeds mal wieder etwas Aufmerksamkeit zukommen. Bei mir ist wieder mal ein Ölwechsel fällig und bei Gogo gibt es kleine abgerissene Halterungen am und im Cockpit zu reparieren oder zu ersetzen. Danach trennen sich unsere Wege wieder. Gogo macht sich auf Richtung Kenia und bei mir steht die Umfahrung des Lake Tana auf dem Programm.

Fahre erstmal bei Kim und Tim vorbei, zwei Globetrotter aus Holland, die am nördlichen Ufer des Lake Tana hängen geblieben sind und eine kleine Oase für Überlandfahrer aufbauen. Nach dem ein oder anderen Abend, ausgefüllt mit Gin Tonic und interessanten „Globestories“ mit anderen Globetrottern geht es dann westlich am Lake Tana entlang der Hauptstadt der Amhara Region, Bahir Dar, entgegen. Vorbei an Feldern mit Mais, Tef (dem lokalen Getreide zur Herstellung des Intschera, das Brot Äthiopiens) und Hirse. So kurz nach der Regenzeit führen die Flüsse und Bäche noch viel Wasser mit sich und es dauert nicht lange, bis ich auf einen kleinen Bachlauf treffe. Die Böschungen sind zu hoch und zu steil, um auf der einen Seite runter und auf der anderen Seite wieder rauf zu fahren. Zu tief und zu schnell fließend das Wasser, um eine sichere Durchfahrt zu gewährleisten. Stehe am Bachlauf und fange schon mal an mein Gepäck abzupacken, als ich auch schon von einer Gruppe von Frauen und Männern „umzingelt“ werde. Die Frauen tragen Körbe und andere Gefäße auf dem Kopf während die Männer verantwortlich sind für den „Viehtrieb nach Hause“ – Markttag, und die Leute befinden sich mit ihren Tauschwaren auf dem Nachhauseweg.

Während meiner Zeit als Entwicklungshelfer in Äthiopien habe ich mir einen kleinen Wortschatz in der Landessprache, Amharisch, angeeignet und die Leute sind etwas erstaunt, dass ein „Ferentschi“ ihre Sprache beherrscht. Wie das dann so ist, werden erstmal die Sprachkenntnisse intensiv überprüft, bevor ich mein Anliegen, Moped über den Bach, vorbringen darf. Die Leute lassen sofort alles stehen und liegen und schon bin ich mitten in den Preisverhandlungen. Alle sprechen durcheinander und auf mich ein, kommen mir dabei immer näher. Nehme mir einen Mann heraus und verhandele mit diesem den Preis, mein Moped auf die andere Seite des Bachlaufes zu bringen – wie viel Personen und welche er dazu benötigt, ist seine Sache. Nachdem der Preis ausgehandelt ist (etwa 1,50 Euro), sind plötzlich unzählige Hände an meinem Moped und kurze Zeit später steht es auf der anderen Böschung des Bachlaufes. Leute auszahlen, Gepäck am Moped wieder anschnallen und weiter geht die Fahrt durch kleine Dörfer, überwiegend bestehend aus Lehmhäusern mit Stroh oder Wellblech abgedeckt. Die unbefestigten Wege westlich am Lake Tana sind so kurz nach der Regenzeit (November) zwar etwas abgetrocknet, aber immer noch mit tiefen Furchen von den Lkws durchzogen, die die Dörfer in der Umgebung mit all dem Lebenswichtigen versorgen, was die Leute für ihr tägliches Leben benötigen.

Den Lake Tana zur Linken, komme ich durch Kunzilla, und an dessen Ende zu einem Fluss, auf dem die Waren der Leute per Schilfboot und kleineren Booten aus Metall übergesetzt werden. An diesem Punkt muss ich mich entscheiden, ob ich einen etwa 100 km Umweg nach Bahir Dar in Kauf nehme, oder aber einen der Bootsführer darum bitte, mein Moped überzusetzen. Da es schon später Nachmittag ist entscheide ich mich, einen der Bootsführer nach dem Preis für das Übersetzen zu fragen.

Auch hier sind die Leute erfreut und erstaunt, dass ein „Ferentschi“ ihre Sprache ein wenig beherrscht. Wie schon zuvor werden meine Sprachkenntnisse intensiv überprüft bevor der Preis ausgehandelt wird. Für umgerechnet etwas mehr als 4 Euro habe ich einen Platz im Boot für mein Moped und mich selbst ausgehandelt. Der Deal beinhaltet; Moped die Böschung runter schieben, in das Boot verladen, übersetzen, Moped aus dem Boot entladen, Moped die gegenüberliegende Böschung wieder hoch schieben – ohne das mein Moped zu Fall kommt, sonst gibt es keine Bezahlung. Ich selbst mache derweil ein paar Fotos von der ganzen Aktion. Beim Übersetzen wird das Boot kurzerhand mit Schaulustigen voll besetzt und so geht es dann über den Fluss. Klappt alles, Moped fällt nicht und ich hab meine Bilder im Kasten. Nach der Übersetzung sind es nur noch wenige Kilometer in der Abenddämmerung nach Bahir Dar.