Auf dem Weg - In Wort und Bild

17 Dschibuti

Unser Boot für die Überfahrt in den Jemen.
Unser Boot für die Überfahrt in den Jemen.

In den Jemen – nur mit einem Boot

20.12.2010

 

Die große Hürde Visa wäre also geschafft. Nette Leute haben wir auch kennen gelernt. Wird Zeit weiter zu ziehen. Bloß, wie kommen wir jetzt von Dschibuti in den Jemen? Ganz klar, ein Boot muss her. Also auf zum Hafen. Fragen uns durch und werden immer wieder an den Hafenverwalter verwiesen. Wir finden diesen in seinem Büro und bringen unser Anliegen vor – ein Boot, das uns und unsere Mopeds in den Jemen rüberschifft. Als wir seine Frage nach dem Jemen Visa bestätigen können, will er sich unserer Sache annehmen und sich schlau machen. Wir sollen immer mal wieder bei ihm vorbeischauen. Am dritten Tag kann er einen Erfolg vermelden. Er hat ein Boot, das uns und unsere Mopeds am Tag darauf in den Jemen rüberschippern will, gefunden und auch schon mit dem Kapitän verhandelt. Wir sollen später nochmals wiederkommen, damit er uns dem Kapitän vorstellen kann. Am Nachmittag stehen wir vor dem Kapitän und verhandeln noch etwas den Preis. Nachdem wir uns handelseinig sind, wird eine Anzahlung fällig – auch der Hafenverwalter fordert seinen Obolus für die Vermittlung ein. Die Restzahlung hat am nächsten Abend vor Ablegung des Bootes zu erfolgen. Unsere Frage, ob das Boot für den Transport von zwei Mopeds groß genug ist, wird mit ja beantwortet. Das Boot sehen können wir nicht, weil wir das Hafengelände nicht ohne Genehmigung betreten dürfen. Sollen uns am nächsten Tag ab 15.00 Uhr bereithalten, das Gesicht des Kapitäns merken – dieser will uns tags darauf in Empfang nehmen – und uns zum Boot führen. Etwas komisch ist uns schon zumute. Anzahlung ist erfolgt, kein Boot zu Gesicht bekommen und der Kapitän sah nicht so aus wie ein Kapitän – Beleg gab es auch keinen, gemäß dem Motto „Nimm das Angebot an oder lass es“. OK, nehmen es als Abenteuer hin, was anderes bleibt uns auch nicht übrig.

Pünktlich nach schweizer und deutscher Uhr stehen wir am nächsten Tag um fünf vor drei Uhr nachmittags auf dem Parkplatz vor dem Hafengelände und, wie so oft auf der Reise, warten. Nix passiert. Der Hafenverwalter ist in einer anderen Mission unterwegs und für uns nicht zu sprechen. Vom Kapitän keine Spur. Fünf Uhr nachmittags, immer noch stehen wir auf dem Parkplatz vor dem Hafengelände. Immer noch nix passiert. Besorgen uns was zum Essen und warten. Reden mit ein paar Leuten. Einige beruhigen uns – geht alles seinen Gang, kein Grund zur Beunruhigung. Außer uns sitzen noch andere Leute mit ihrem Gepäck auf dem Parkplatz und warten auf ihre Überfahrt. Endlich, gegen acht Uhr kommt etwas Unruhe auf. Ein Mann mit einer Liste zeigt sich, es werden Namen aufgerufen. Leute stellen sich in Schlangen auf. Unsere Namen werden mit dem Hinweis hier am Parkplatz zu warten zuletzt aufgerufen. All die anderen dürfen auf das Hafengelände. Nach einer gefühlten Ewigkeit werden auch wir auf das Hafengelände geführt. Fahren mit unseren Mopeds einem Mann hinterher, der uns bei „unserem Kapitän“ abliefert. Dieser fragt auch gleich nach der Restzahlung und zeigt uns mit sichtlichem Stolz sein Boot. Dylan und ich schauen uns etwas verdutzt an. Haben ja jetzt keinen Luxusdampfer erwartet, aber auch keine Nussschale. Das Boot kommt aber dem Letzteren ziemlich nahe. Aber trotzdem freut es mein berufliches Auge (bin gelernter Schreiner) zu sehen, dass es komplett aus Holz gebaut ist. Sieht nicht mehr so ganz frisch aus, aber schwimmt noch – was will man mehr. Rückzieher? Auf keinen Fall, Preis ist verhandelt und der Kapitän einverstanden, uns mit unseren Mopeds an Bord zu nehmen. Und wenn uns die Leute versichern, das Boot ist sicher und schon etliche Male über den Golf von Aden geschippert, glauben wir ihnen (was bleibt uns auch anderes übrig). Liegt ja vertäut am Hafen und nicht auf dem Meeresgrund im Golf von Aden. Also los, Gepäck abpacken. Auf die Frage wie denn die Mopeds auf das Boot verladen werden, stehen wie auf Kommando acht Leute um uns herum. Die Mopeds werden von diesen (ohne lange zu fragen oder besondere Vorsicht walten zu lassen) über die etwa 1.50 m hohe Reling gehoben, an die vorgesehenen Plätze gestellt und von uns persönlich mit unseren eigenen Spanngurten auf der Innenseite der Reling festgezurrt.

Wir werden zum Zoll gebeten. Unsere Papiere werden abgestempelt und die Reisepässe einbehalten. Vor dem Boot werden dann anhand der Pässe die Namen aufgerufen und die Aufgerufenen dürfen an Bord des Bootes Platz nehmen. Die Pässe werden an den Kapitän weitergereicht, der diese während der Überfahrt aufbewahrt. Machen es uns an Bord so bequem es geht. Richten uns unser Nachtlager auf Deck unter freiem Himmel ein. Bekommen ein Decke gereicht und dann steht einer Betrachtung des grandiosen Sternenhimmels über dem Golf von Aden nichts mehr im Wege. Nur das Tuckern des Dieselmotors ist zu vernehmen.

Die Frauen dürfen es sich unter Deck bequem machen und werden ihren Platz während der Überfahrt nur für ihre Notdurft verlassen. Umgekehrt werden wir aufgefordert die Privatsphäre der Frauen zu respektieren. An Schlaf ist erstmal nicht zu denken, zu aufregend war der ganze Vorgang bis wir an Bord waren. Immer mal wieder zeigt sich die eine oder andere Kakerlake und auch anderes Viech- und Kriechzeugs. Je nachdem wie der Wind steht, werden die Geschmacksnerven etwas auf die Probe gestellt. Aber uns geht es gut.

Wer seine Notdurft an Bord verrichten muss, kann die bordeigene und wassergespülte Toilette benutzen. Mann oder Frau sollte dabei aber nicht zimperlich sein, sieht man doch den anderen Mitreisenden ins Auge. Man steht auf einer kleinen, nach unten offenen, Plattform – etwa 3 m über dem vorbei ziehenden Meer. Die Bretter der Kabine reichen stehend bis etwa auf Hüfthöhe. Nach der Notdurft wird ein Plastikbehälter an einem Seil ins Meer gelassen, nachdem dieser gefüllt ist, wieder hochgezogen um sich damit wieder rein zu waschen. Toilettenpapier gibt es auch auf Anfrage nicht.

Mit einer maximalen Geschwindigkeit von etwa 15 km/h (laut GPS) geht es über den Golf von Aden dem Jemen entgegen. Am nächsten Morgen werden wir mit belegten Brötchen und Tee verköstigt. Wir kommen mit den anderen Reisenden ins Gespräch und bekommen so einen ersten Eindruck vom Jemen. Auch hier werden wir von den Leuten aufgefordert nicht in den Norden des Jemens und nach Sanaah zu fahren. Zu gefährlich für Ausländer. An der Küste entlang, kein Problem und sicher. Wir genießen die Überfahrt und das türkisfarbene Meer. Etwas Wind kommt auf und mit jeder Welle hat man das Gefühl, das Boot fährt rückwärts. Aber so langsam kommt der Jemen näher.

Vor dem Gehege nach der Versorgung der Tiere mit Wasser.
Vor dem Gehege nach der Versorgung der Tiere mit Wasser.

Landsleute – zum Zweiten

18.12.2010

 

Dylan und ich sitzen in einem Saftladen, als ein paar Leute auf unsere Mopeds aufmerksam werden. Die Leute setzen sich zu uns und es stellt sich heraus, dass es sich um deutsche Soldaten handelt, die ihren Auslandeinsatz in Dschibuti ableisten. Wir kommen ins Gespräch und erläutern unser Vorhaben, durch den Jemen in den Oman zu fahren. Sie sind überhaupt nicht von dem Vorhaben begeistert und sie laden uns für die nächsten Tage in ihre Unterkunft auf ein Bier ein. Einen Tag später folge ich der Einladung und die Unterkunft stellt sich als das zweitbeste Hotel in der Stadt heraus. Mit Pool und allem, was so zum guten Soldatenleben dazugehört. Ganz schön sehenswert, was da um den Pool herumliegt. Zu meiner Zeit waren ja noch keine Frauen bei der Bundeswehr – warum auch immer.

Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht neidisch - mir gefällt mein Leben. Hans – Peter und Heiko spendieren mir ein Getränk nach dam anderen. Mache auch Bekanntschaft mit Motorrad fahrenden Soldaten und erzähle von dem Verlauf meiner bisherigen Reise. Im Laufe des Abends kommt unser Vorhaben, durch den Jemen zu fahren, zur Sprache. Wieder erklären mir die beiden ihre Bedenken und meinen, ich solle doch am nächsten Mittag nochmals bei ihnen vorbeikommen. Ein Kollege von ihnen kann mir da mehr und vor allem aktuelle Auskunft über die momentane Situation im Jemen geben.

Auch dieser Kollege rät uns eher ab, momentan durch den Jemen zu fahren. Egal wo man im Jemen hinfahren möchte, überall herrschen Reisebeschränkungen vor. Nehme die Ratschläge auf und frage nach etwaigem Kartenmaterial, das sie mir vielleicht zur Verfügung stellen könnten. Leider können sie mir in dieser Sache nicht behilflich sein. Naja, ist ja zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht sicher, ob wir überhaupt ein Boot finden können, das uns und unsere Mopeds in den Jemen übersetzt.

Hans – Peter und Heiko fragen mich, was Dylan und ich denn schon von Dschibuti gesehen hätten und laden uns zu einem Besuch des örtlichen Tiergeheges ein. Die deutschen Soldaten sind auch verantwortlich für die Wasserversorgung der Tiere in dem Gehege etwas außerhalb der Stadt. Bei den Tieren (Leoparden, Hyänen, Schildkröten, ect.) handelt es sich überwiegend um Geschenke von anderen Staatsoberhäuptern an den Herrscher von Dschibuti oder um Beschlagnahmung illegaler Ein- oder Ausfuhr von Wildtieren. Morgen müssten sie wieder Wasser anliefern und wenn wir wollten, könnten wir sie begleiten. Lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen und treffen die beiden am nächsten Tag etwas außerhalb von Dschibuti. Da das Gehege für Besucher momentan nicht offen steht, stellen wir unsere Mopeds kurz zuvor in einem Gebüsch ab. Hans – Peter und Heiko geben uns ihre Jacken die wir uns überziehen. Wir machen es uns auf der Ladefläche des LKWs so bequem wie möglich. Passieren ohne Probleme das Eingangstor zum Gehege. An dem Wasserbecken bauen Hans – Peter und Heiko die Wasserpumpe auf und pumpen das Wasser vom LKW in das Becken. Während das Wasser läuft, geht Heiko mit Dylan und mir auf dem Gelände auf Fotosafari. Die Leoparden faszinieren uns am meisten. Können fast die Hand ausstrecken und sie anfassen. Faszinierende Tiere, schlank, lange Beine – man sieht ihnen ihre Schnelligkeit an, auch wenn sie momentan nur faul unter einer Schirmakazie liegen.

Nach dem Rundgang auf dem Gelände und Fotoshooting geht es wieder zurück zu unseren Mopeds im Gebüsch. Geben die Jacken zurück und verabschieden uns von Hans – Peter und Heiko. Die beiden bitten Dylan und mich inständig, uns bei ihnen per Mail zu melden, wenn wir im Oman angekommen sind. Wenn sie uns schon nicht von unserem Vorhaben abbringen konnten, so wollen sie wenigstens sicher gehen, dass wir das „Abenteuer“ Jemen gut überstanden haben.

Ausflug zum Lake Lassal.
Ausflug zum Lake Lassal.

Landsleute – zum Ersten

18.12.2010

 

Wie schon so oft auf meiner bisherigen Reise sind die Bekanntschaften unterwegs immer das Salz in der Suppe. Dschibuti macht hierbei keine Ausnahme. Dylan und ich sind an unserem zweiten Tag in Dschibuti in einem Internetladen mit recherchieren beschäftigt, surfen im Internet und schauen, wer uns mit einer Email bedacht hat. Dylan ist etwas früher fertig und wartet vor der Tür des Internetladens auf mich. Als ich dem PC schlussendlich nichts mehr mitzuteilen habe, mache auch ich mich auf vor die Tür. Treffe Dylan mit einem Landsmann an (Dylan ist gebürtig aus Sri Lanka), der uns auf einen Drink einlädt. Die beiden haben sich viel zu erzählen. Der Mann lädt uns für den Abend in seine Unterkunft ein. Ein kleines Haus, das er zusammen mit anderen Männern aus Sri Lanka bewohnt. Die Männer arbeiten alle im Hafen von Dschibuti und sind meist schon vor Jahren von Sri Lanka nach Dschibuti gezogen, um ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familien (die meist in Sri Lanka zurück gelassen wurden) zu verdienen.

Am Abend werden wir zuerst den anderen Männern, die gerade anwesend sind, vorgesellt und dann zum Abendessen und Bier eingeladen. Wir dürfen unsere Reise ausführlich schildern und je länger der Abend andauert, desto mehr Leute kommen vorbei, um uns und unsere Mopeds zu sehen. Zum Ende des Abends werden wir eingeladen in dem Haus zu bleiben, so lange wir zur Organisation unserer Überfahrt und der Visa für den Jemen benötigen. Da die Männer am Hafen arbeiten, empfehlen sie uns, uns beim Hafenverwalter zu melden – da dieser über die Ankunft und Ablegung der Boote und deren Routen bestens informiert ist. Sie wollen in den nächsten Tagen bei der Arbeit auch die Augen und Ohren offen halten, um so eventuell bei der Beschaffung eines Bootes, das in den Jemen überfährt und zwei Mopeds mit Fahrer aufnehmen kann, behilflich sein. Bin etwas gehemmt, so ein großzügiges Angebot anzunehmen. Doch Dylan versichert mir, das dies bei seinen Landsleuten üblich ist und wenn sie so ein Angebot machen, es von Herzen kommt und nicht damit gerechnet wird, dass es abgelehnt wird. Wir nehmen also das großzügige Angebot an und werden in den nächsten Tagen mit dem Allerfeinsten verköstigt.

Ein Zimmer wird extra für Dylan und mich geräumt, unsere Mopeds finden Platz im Hof. Es wird jeden Tag gekocht. Wenn Dylan und ich unterwegs sind und etwas außerhalb der Essenszeiten am Haus auftauchen, steht Essen auf dem Wohnzimmertisch bereit und meist ist auch einer der Männer anwesend, der uns auffordert etwas zu essen. Wahnsinn, was da in den Tagen alles gemacht wurde für uns. Alle beschäftigen sich mit uns und machen es uns so bequem wie möglich. In diesem Umfang habe ich so etwas selten erlebt. Uns wird dadurch die Zeit in Dschibuti extrem verkürzt und es wird mir schwer fallen mich wieder davon zu verabschieden – das weiß ich jetzt schon. Um die Zeit für uns so kurzweilig wie möglich zu gestalten, werden wir an jedem Tag zu Mittag- oder Abendessen eingeladen. Wandern so von Haus zu Haus. Es werden viele landestypische Mahlzeiten aus Sri Lanka zubereitet und ich muss alles mindestens einmal probieren – lasst Euch sagen, es gibt wirklich schlimmeres auf der Welt als solche Köstlichkeiten zu essen.

Dylan nimmt sich in diesen Tagen auch eines Problems an meinem Moped an. Seit Äthiopien lässt sich mein Moped immer schlechter starten, vor allem bei warmen bis heißem Motor. Bei Zwischenstopps muss ich den Motor etwas abkühlen lassen, bevor er sich wieder starten lässt. Das Problem ist schnell gefunden, der Leerlaufregler. Problem nur, diesen kann man nicht reparieren und Ersatz ist weit und breit erstmal nicht in Sicht. Mit einem Messschieber und einem kleinen Metallring, der mittels eines Seitenschneiders passend gemacht wird, versuchen wir den Leerlaufregler so gut es geht wieder auf sein altes Niveau zu bringen. Nach ein paar Startversuchen und Nachbesserungen lässt sich der Motor mit etwas drehen am Gasgriff wieder starten. So weit so gut, an Ersatz werde ich vor Dubai wohl nicht kommen.

Unsere Abreise ist absehbar und der Hafenverwalter hat uns ein Boot in Aussicht gestellt, das uns in den nächsten Tagen in den Jemen übersetzen soll. Die Landsleute von Dylan organisieren einen Ausflug an den Lake Lasall – einen Salzsee etwa 120 km von Dschibuti Stadt entfernt. Am Salzsee angekommen, herrscht eine große Hitze und uns zeigt sich ein unwirkliches Bild, an das sich unsere Augen erst gewöhnen müssen. Das Wasser des Sees ist tiefblau und das Ufer eine komplette Salzkruste. Lassen es uns nicht nehmen ein paar Runden mit dem Moped zu drehen. Nach anfänglich zögerlichem Drehen am Gasgriff werden wir bald mutiger, als wir spüren, dass die Salzkruste hält und schön griffig ist. Fotos werden gemacht. Anschließend der Picknickkorb ausgepackt. Ein schöner Nachmittag mit echt netten Leuten, was braucht man mehr.

Am Tag unserer Abreise werden wir von jedem Einzelnen sehr herzlich verabschiedet. Viele kommen extra von der Arbeit oder von ihrem Zuhause bei uns vorbei. Wie oben schon beschrieben, fällt es mir jetzt schwer, all die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten zurück lassen zu müssen. Danke für die sehr angenehme Zeit bei Euch. Wird ein Highlight auf meiner Reise bleiben, das kann ich jetzt schon sagen.

Unser Frühstücksplatz in Dschibuti-Stadt.
Unser Frühstücksplatz in Dschibuti-Stadt.

Nach dem Frühstücksei – Polizei

17.12.2010

 

Das Visum haben wir in der Tasche. Jetzt erstmal frühstücken. Wie das so ist, wenn man so durch die Länder reist, ist man spätestens beim zweiten Besuch eines Restaurants schon Stammgast und zählt fast zur Familie. Dschibuti sollte da auch keine Ausnahme sein. Als Dylan und ich zum zweiten Mal im gleichen Laden zum Frühstück halt machen, werden wir begrüßt wie zwei alte Bekannte. Die Motorräder werden auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Sichtweite platziert und sind wieder sofort umlagert. Uns wird Platz gemacht und zwei Stühle auf die Straße an einen Tisch zu den anderen gestellt. Die Bestellung aufgenommen und etwas gelächelt, weil, der Ausländer will ja auf Nummer sicher gehen und bestellt das Gleiche wie am Tag zuvor. Haben also unsere Bestellung aufgegeben und unterhalten uns über unseren heutigen Tagesablauf (Boot in den Jemen organisieren) und den Verlauf unserer bisherigen Reise. Dylan erzählt mir dabei von einem Erlebnis im Norden Äthiopiens. Um mir einen besseren Eindruck zu vermitteln, will er mir Bilder, die er von dem Erlebnis gemacht hat, auf seiner Kamera zeigen. Er steht also auf, um über die Straße zu gehen und seine Kamera zu holen. Nimmt sie gerade aus seinem Tankrucksack, als sich, unbemerkt für Dylan, in seinem Rücken ein Mann nähert. Als dieser die Kamera sieht, verfolgt er Dylan über die Straße und versucht die Kamera zu greifen, erwischt diese am Umhängegurt. Dylan ist von dieser Aktion so überrascht, dass er sich unvermittelt herumdreht und dem Mann mit den Worten „back off“ einen kleinen Stoss versetzt. Der Mann stolpert rückwärts über den Bordstein und fällt auf die Straße in eine kleine Wasserpfütze. Aufgebracht will er sich Dylan zur Brust nehmen. Die Leute im Lokal nehmen sich dem Mann an, reden mal ruhig, mal wild gestikulierend auf ihn ein und versuchen ihn so zu beruhigen. Anfänglich lässt er sich nicht beruhigen, deutet auf seine schmutzige Kleidung und fordert eine Entschädigung. Nach ein paar Minuten verlässt er aber die Szene. Die Leute erklären uns, dass es sich bei dem Mann um einen Geheimpolizisten handeln würde (schöne Kacke), die Sache jetzt aber geklärt wäre und wir in Ruhe frühstücken könnten. Dylan zeigt mir seine Bilder. Wollen gerade unseren zweiten Tee bestellen, als der Mann mit ein paar Polizisten um die Ecke kommt. Es kommt zwischen den Leuten im Lokal und den Polizisten zu einer wilden Diskussion mit viel Gestikulation. Der Mann deutet immer wieder auf uns und zu guter letzt werden wir von den Polizisten mit festem Griff am Hosenbund abgeführt. Wollen noch unsere Mopeds abschließen und ein paar Wertsachen an uns nehmen. Keine Chance, wir werden, ohne vorher an unsere Mopeds zu kommen, auf der Polizeiwache abgeliefert und dem Polizeichef vorgeführt. Jemand der englisch spricht wird herbei gerufen, und wir werden verhört. Zuvor wird aber der Version des Mannes zu dem Vorfall Gehör geschenkt. Dabei fällt Dylan und mir die etwas feuchte und undeutliche Aussprache des Mannes auf. Scheint etwas zuviel Flüssiges zum Frühstück gehabt zu haben. Der Polizeichef wendet sich uns zu, fragt nach dem Grund unseres Aufenthaltes in Dschibuti. „Wir sind Touristen auf der Durchreise in den Jemen. Haben gerade unsere Visa auf der jemenitischen Botschaft abgeholt“. Ob wir ein Visum für Dschibuti haben – wir zeigen dem Polizeichef unsere Reisepässe mit den Visa. Warum wir fotografieren wollten und ob wir nicht wüssten, dass fotografieren in Dschibuti nicht gern gesehen wird. „Wir wollten nicht fotografieren, wollten uns nur ein paar Bilder auf der Kamera anschauen“. Ob wir beweisen können, dass wir nur Touristen sind – Dylan zeigt ihm seine gemachten Bilder vom Sudan, Kenia und Äthiopien auf der Kamera. Der Polizeichef berät sich mit seinen Leuten und erklärt uns, dass es sich bei dem Mann um einen Polizisten handelt (nicht von seinem Revier) und er Dylan daran hindern wollte, ungefragt Bilder zu machen. Wir erklären ihm, dass wir keine Bilder machen wollten und wenn, wir die Leute fragen, ob dies dann möglich wäre. Der Polizeichef versucht zu vermitteln und erklärt dem Mann die Situation und fragt, ob er eine Entschuldigung akzeptieren würde. Dieser will eine Entschuldigung von Dylan nicht annehmen und verlangt aus seiner Sicht der Dinge einen Ausgleich. Der Polizeichef erklärt uns nun, da es sich nicht um einen Polizisten von seinem Revier handelt, dass er in der Sache nichts mehr machen kann. Er erklärt uns, dass wir uns mit dem Mann und ein paar Polizisten zum zuständigen Revier aufmachen müssen, um die Sache mit dem Chef des Polizisten zu klären. Wir sehen keine andere Wahl und sind erstmal mit dem Vorschlag einverstanden. Wieder erklärt er dem Mann die weitere Vorgehensweise, sieht die Sache für sich erledigt und ruft ein paar Polizisten in sein Büro.

In diesem Moment steht der Mann wie von einer Tarantel gestochen von seinem Stuhl auf und reicht Dylan die Hand zur Annahme seiner Entschuldigung. Dylan gibt ihm etwas verdutzt seine Hand und der Mann spricht in Arabisch auf Dylan ein. Der Polizeichef übersetzt für uns und meint, dass der Polizist die Entschuldigung von Dylan nun doch annimmt und die Sache für ihn damit erledigt sei. Aus einem für uns unerklärlichen Grund war der Polizist nicht gerade erpicht darauf, mit uns und ein paar Polizisten auf sein Revier zu gehen und mit seinem Vorgesetzten die Sache zu klären. Vielleicht, so haben Dylan und ich es uns versucht zu erklären, lag es auch an seiner feuchten, unklaren Aussprache. Wie dem auch sei, gut für uns.

Der Mann wird mit den Polizisten vor die Tür geschickt. Nach ein paar Worten – Vorsicht beim Fotografieren in Dschibuti – dürfen auch wir das Polizeigelände wieder verlassen. Zurück am Restaurant bestellen wir erstmal einen Tee. Die Leute erklären uns, dass sie auf die Mopeds aufgepasst haben und alles noch da wäre und fragen uns, wie denn die Sache ausgegangen ist. Alle sind froh über den guten und unspektakulären Ausgang in der Sache. Der Tee schmeckt an diesem Morgen besonders gut.

Kurz nach dem überqueren der Grenze nach Dschibuti.
Kurz nach dem überqueren der Grenze nach Dschibuti.

„Organisation“ und viel Glück, sonst kein Visa

15.12.2010

 

Die Grenze zu Dschibuti ist als solche auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Der Grenzpunkt befindet sich im Niemandsland, ja wirklich, außer ein paar Wellblechhütten mitten in einer Tiefebene am Rande der Danakil Wüste ist weit und breit nichts weiter auszumachen. Die einzige Straße ist nicht einmal durch ein Seil oder ähnliches abgesperrt. Durch die Wellblechhütten aufmerksam geworden, fahre ich erst einmal an den Straßenrand und frage ein paar anwesende Leute nach der Grenze. Und tatsächlich, ich stehe an der Grenze zu Dschibuti. Wieder mal ist mein Moped interessanter als mein Anliegen, die Grenze passieren zu wollen. Warte bis alle Fragen zum Moped beantwortet sind und gehe, die Papiere in der Hand, auf einen Grenzbeamten zu. Ausreisestempel ist schnell im Pass, über einen Stempel für das Carnet de Passage weiß er nichts und kann mir auch nicht weiterhelfen. Wie das dann so ist, auf dem Gelände einer Grenzstation gibt es viele Helferlein. Zurück auf der Straße dauert es meist nicht allzu lange, bis sich diese zu erkennen geben, so auch dieses Mal. Ein Junge (Fikru), so um die zehn Jahre, kommt auf mich zu und lacht auch schon über beide Ohren, als ich ihm mit meinem Moped am Straßenrand ins Auge steche. „Stamp (Stempel)?“ Seine Frage. OK, Figru weiß wie der Hase läuft, tut dies wohl nicht zum ersten Mal. Figru und ich werden uns handelseinig und schon marschiert er voran über die Straße auf einen Containerplatz zu. Folge mit meinem Moped. An einem kleinen unscheinbaren Büro auf der gegenüberliegenden Seite des großen Containerplatzes klopft er an den Türrahmen. Ein ziemlich junger Grenzbeamter schaut hinter einem Computer auf. Erkläre dem jungen Beamten um was es geht und was ich gerne von ihm hätte. Obwohl sein English gut ist, hat er keine Ahnung was ich von ihm will. Nach einem kurzen Wortwechsel übernimmt Figru die Initiative. „Paper!“ (gemeint ist das Carnet de Passage) sagt er zu mir. Gebe Figru das Carnet de Passage und er erklärt dem jungen Grenzbeamten nun, wie dies auszufüllen ist und wo es abgestempelt werden soll. Er glaubt Figru nicht so richtig und ruft lieber noch eine Person seines Vertrauens hinzu. Die Drei diskutieren etwas herum, dabei wird immer wieder das Carnet de Passage hin und her gereicht, aufgeschlagen, geschaut, wo denn die anderen Nationen ihre Worte und Stempel gesetzt haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat Figru die beiden überzeugt. Problem nur, der Stempel liegt in einer abgeschlossenen Schublade und der Beamte, der den Schlüssel hat, ist heute noch nicht gesehen worden. Na toll. Es wird herumtelefoniert. Das Carnet de Passage schon mal ausgefüllt. Ein Tee wird mir gereicht. Figru schaut sich mein Moped etwas genauer an.

Werde zum Grenzpunkt zurückgeschickt, wo man mir mitteilt, dass ich morgen noch mal vorbei kommen soll. Der Beamte mit dem Stempel meldet sich nicht am Telefon. Kann doch nicht sein, entgegne ich, einer der wichtigsten Häfen für den Import nach Äthiopien ist nun mal Dschibuti. Ganze LKW Flotten rollen täglich nach Äthiopien hier durch und der Stempel für die temporäre Einfuhr von Fahrzeugen ist, nur durch ein klappriges Möbelschloss an der Schublade gesichert, nicht zugänglich. Hallo!?! Der Beamte schickt mich wieder in das Büro auf dem Containerplatz. Den jungen Beamten finde ich telefonierend vor. Wird wohl gerade über meine Ungeduld informiert. Er bittet mich etwas Geduld zu haben. Ich warte. Es wird etwas hektisch diskutiert. Mein Carnet de Passage wird verlangt und verschwindet aus meinem Gesichtsfeld. Warte wieder. Nach einer kleinen Ewigkeit händigt mir der junge Grenzbeamte mein abgestempeltes Carnet de Passage wieder aus. Auf meine Frage, wo denn nun der Stempel so plötzlich hergekommen sei, erwidert er nur – er war nicht in der Schublade. Ich frage nicht weiter.

Wie dem auch sei, nach etwas mehr als 2 ½ Stunden fahre ich auch schon auf neutralem Boden der Grenzstation von Dschibuti entgegen. Wenn es hier mit den Papieren genau so „schnell“ geht werde ich hier wohl mein Zelt aufschlagen müssen. Aber Überraschung, als erstes wird mir ein Platz für mein Moped zugewiesen. Werde anschließend von einem Soldaten an eine Bretterbude geleitet. Mein Reisepass und Carnet de Passage werden eingefordert. Der Soldat macht sich mit beiden Dokumenten auf den Weg. Stehe an der Bretterbude, warte wieder mal und versuche ein Gespräch mit den Soldaten in Gang zu bringen. Will so für mich die eine oder andere Frage über Dschibuti klären. Merke dabei, dass ich hier mit Englisch nicht weit kommen werde. Andere Länder, andere Sprachen – in Dschibuti spricht man französisch. Mein Französisch ist schlichtweg sehr begrenzt und den Grenzbeamten fällt es schwer sich in Englisch auszudrücken.

Aber die Zeit vergeht auch so schneller als gedacht und der Soldat taucht mit meinem Reisepass und dem Carnet de Passage wieder auf. Übergibt alles dem Mann in der Bretterbude, der schaut sich alles nochmals an. Reißt den Abschnitt für die Einreise aus dem Carnet de Passage, gibt mir die Papiere zurück et voilà, ich bin in Dschibuti. Geht doch.

Wenn man in Dschibuti unterwegs ist, sollte man seinem Benzinhaushalt vermehrt Aufmerksamkeit schenken. Denn Benzin gibt es nur in Dschibuti Stadt oder auf dem Schwarzmarkt. Werde mir dessen bewusst, als ich tanken möchte und eine Tankstelle nach der anderen anfahre, diese aber nur mit Diesel aufwarten können. Auf dem Schwarzmarkt werde ich schließlich für den doppelten Preis fündig und dann gibt’s auch nur fünf Liter - mehr gibt der Schwarzmarkt an diesem Tag nicht her. Wird knapp bis Dschibuti Stadt, aber die Straße ist gut und es wird nur noch zaghaft am Gasgriff gedreht. Es reicht, ich erreiche am späten Nachmittag Dschibuti Stadt.

OK, wo finde ich Dylan. Erstmal ins Internet. Keine Nachricht von ihm. Geld tauschen. Dies wird von Frauen erledigt, die quasi an jeder Ecke mit einer Tasche voller Geld sitzen. An die wird man vermittelt sobald Geldscheine zum Vorschein kommen. Danach Leute fragen, ob ihnen ein großes Moped aufgefallen ist. Fahren ja nicht so viele Mopeds durch die Gegend hier. Und wirklich, ein großes silberfarbenes Moped wurde gesehen. Parke mein Moped und mache mich mit einem dieser vielen Helferlein zu Fuß auf die Suche durch die Straßen. Plötzlich und unerwartet sehe ich das Moped von Dylan am Straßenrand stehen, ihn selbst finde ich im Internetcafe. Wollte mir gerade eine Nachricht zukommen lassen, wo ich ihn erreichen kann. Hat sich nun erledigt.

Da die Preise für ein Zimmer gesalzen sind, übernachten wir vor der Stadt im Zelt. Dylan hat eine schlechte Nachricht für mich. Er war bereits heute auf der jemenitischen Botschaft und die Botschaftsleute hätten ihn mit den Worten „Es gibt keine Visa für den Jemen“ ziemlich rüde wieder weggeschickt. Kurz bevor er mich aber getroffen hat, hat er einen Restaurantbesitzer kennen gelernt. Dieser hat sich für sein Moped und seine Tour interessiert und sich über die schlechte Laune von Dylan gewundert und danach gefragt. Keine Visa für den Jemen? Komm morgen bei mir im Restaurant vorbei, mal schauen was ich machen kann.

Tags darauf fahren wir mit dem Restaurantbesitzer zur jemenitischen Botschaft. Und siehe da, die Leute auf der Botschaft sind freundlich und zuvorkommend. Sie sind sichtlich bemüht, alles zur Zufriedenheit des Restaurantbesitzers zu tun. Wir werden an den Wartenden vorbeigeführt, direkt zum verantwortlichen Konsulatsleiter – die schon anwesenden Leute werden vor die Tür geschickt. Dylan und ich werden aufgefordert auf der Couch Platz zu nehmen. Die beiden unterhalten sich in Arabisch und es scheint dabei um uns zu gehen. Wir werden gefragt, was wir im Jemen machen wollen – „Durchfahren in den Oman“. Wie lange wir bleiben wollen – „So viel Tage wie wir brauchen um durchzufahren. Acht Tage vielleicht“. Wie wir in den Jemen kommen wollen – „Mit einem Boot. Dazu brauchen wir aber zuerst das Visa für den Jemen, damit wir eine Verhandlungsgrundlage haben“. Es werden das Carnet de Passage vorgelegt, dann das Schreiben der deutschen Botschaft in Äthiopien für die temporäre Einfuhr von Fahrzeugen (warum auch immer, aber dieses Papier hat offensichtlich Eindruck hinterlassen). Unsere Pässe mit den vorangegangenen Visa will er sehen. Unser weiterer Reiseverlauf wird von uns dargelegt – immer mit dem Hinweis, die Vorraussetzung für ein Weiterkommen ist, dass wir durch den Jemen dürfen. Der Restaurantbesitzer redet unerlässlich auf den Konsulatsleiter ein, bis dieser schließlich nach seinem Sekretär läutet und uns diesem mit ein paar arabischen Worten anvertraut. Wir bedanken uns artig und werden auch schon aus dem Büro gebracht. Etwas forsch werden wir aufgefordert den Antrag für das jemenitische Visa auszufüllen. Alles geht plötzlich ganz schnell und in Null Komma Nix befinden wir uns wieder auf der Straße vor der Botschaft.

In drei Tagen sollen wir wieder vorbei kommen. Der Restaurantbesitzer fährt wieder mit uns hin und siehe da, das Visum wird in unsere Reisepässe eingeklebt und gestempelt. Der Restaurantbesitzer verabschiedet uns mit den Worten, „Macht mir keinen Scheiß im Jemen und fahrt nicht nach Sanaah, zu gefährlich auf dem Landweg.“ Ganz sicher, ohne ihn hätten wir den Jemen auf unserer Reisevita streichen können.