Auf dem Weg - In Wort und Bild

22 Nepal

Tibet wartet.
Tibet wartet.

Kathmandu – auf nach Tibet

30.04.2011

 

Zurück in Pokhara besuche ich Artho, einen Finnen, mit dem ich für zwei Jahre im gleichen Ort in Äthiopien tätig war. Als Artho erfahren hat, dass ich auf meinem Weg nach Australien auch in Nepal vorbeikomme, hat er mich sofort eingeladen bei ihm und seiner Familie in Pokhara vorbei zu schauen. Ich habe dann auch die einmalige Chance ergriffen, um auf seine Adresse Ersatzteile für mein Moped zu bestellen. Als ich bei ihm eintreffe, ist das Paket noch nicht eingetroffen und ich vertreibe mir die Zeit etwas mit sightseeing in und um Pokhara.

Artho weiht mich in seine Arbeit ein und druckt mir mehrere Papiere aus, die mich berechtigen sollen das Paket in seinem Namen annehmen zu dürfen. Fahre am Postamt vorbei und bekomme die Info, dass das Paket in Kathmandu angekommen ist und in etwa 4 – 6 Tagen in Pokhara eintreffen soll. Lasse meine Telefonnummer da, der Beamte will mich anrufen sobald mein Paket eintrifft. Hebe nochmals die Wichtigkeit des Paketes für mich hervor, bevor ich das Postoffice verlasse und hoffe auf den Anruf in ein paar Tagen.

Während dieser Tage kontaktiere ich Frank und Martin am Campingplatz und wir organisieren unsere Tibet – China Tour. Von der Agentur ist noch keine Benachrichtigung bezüglich dem zu beantragenden China-Visum durchgekommen, auch an dieser Front heißt es erstmal abwarten.

Tatsächlich, nach drei Tagen ruft mich das Postoffice von Pokhara an und bestätigt die Ankunft meines Paketes. Fahre unverzüglich vorbei und hole es ab. Die Herausgabe stellt sich mal wieder einfacher heraus als ursprünglich gedacht. Nach kurzer Identifikation und Abfrage nach dem Inhalt wird es mir anstandslos übergeben. Die Beamten fragen noch etwas nach meinem Moped und lassen mich dann mit dem Paket ziehen.

Am Haus von Artho nehme ich mir mein Moped vor. Ölwechsel, Ölfilterwechsel, Reifenwechsel, Bremsbelagwechsel und das Ersetzen der angeschlagenen Benzinpumpe stehen auf dem Programm. Nehme mir auch den Luftfilter vor, alles für die Tour durch Tibet und China.

Nach ein paar Tagen erreicht uns das Email unserer Reiseagentur zwecks dem China-Visum und kurz darauf sind wir auf dem Weg nach Kathmandu. Quartiere mich im gleichen Gästehaus wie zuvor ein und tags darauf sind wir bei der in der Email genannten Reiseagentur vorstellig. Der jeweilige Reisepass und eine Gebühr von 125 USD pro Person sind fällig. Nach dem Ausfüllen des Visumantrages heißt es, dass einer von der Gruppe wieder an der Agentur vorbeikommen soll um die Reisepässe mit den Visa abzuholen. Wir einigen uns darauf, dass ich in Kathmandu bleibe um die Reisepässe abzuholen und dann den Rest der Gruppe an der Grenze wieder treffe. Frank und Martin machen sich am nächsten Tag auf um an die Tibetische Grenze zu fahren.

Ich bleibe in Kathmandu und sehe mich in den kleinen Gassen von Thamal um. Am dritten Tag ruft mich die Reiseagentur an, dass die Reisepässe mit den Visa abgeholt werden können. Als ich im Büro der Reiseagentur stehe, fragen mich diese etwas verwundert, wo denn die anderen wären. Als ich ihnen erkläre, dass die anderen der Gruppe sich schon vor ein paar Tagen an die Grenze aufgemacht haben, wird aufgeregt diskutiert. Erkundige mich, ob denn irgendwas nicht in Ordnung wäre. Einer der Männer erklärt mir dann, dass jeder der Visumbeantrager seine Unterschrift geben müsste. Wie sich herausstellt, wurden die Visa nicht in die jeweiligen Reisepässe eingestempelt, sondern auf einem DIN A4 Blatt wurden alle Namen fein säuberlich aufgeführt und hinter jedem Namen müsse nun eine Unterschrift platziert werden.

Gebe nochmals zur Erinnerung, dass sie auf Nachfrage von uns bestätigt hätten, dass nur einer der Gruppe vorbeikommen müsste um die Visa und Reisepässe abzuholen. Von einer Unterschrift von jedem der Gruppe war nicht die Rede gewesen.

Wie dem auch sei, heute soll ja auch noch der Grenzübertritt von statten gehen, von daher ist etwas Eile geboten, ich muss ja auch noch zur Grenze fahren. Schlage vor, dass ich das Papier an mich nehme und das Unterschreiben von den Leuten an der Grenze erfolgen könnte. Dies wird zurückgewiesen, da die Unterschrift in dem Büro zu erfolgen hätte und eine Kopie unverzüglich der chinesischen Reiseagentur zugesandt werden soll. Beraten uns etwas und nach kurzer Zeit werde ich aufgefordert meine Unterschrift zu leisten und auch die der anderen. Solle deren Unterschriften einfach nach dem Muster in deren Reisepässen kopieren.

Bin etwas irritiert, aber die Leute schieben mir einen Stuhl hin und geben mir die Reisepässe der anderen als Vorlage für deren Unterschrift auf das Papier mit den Visa der Gruppe. Leiste also so die Unterschrift der anderen in der Gruppe, wobei die Unterschrift unserer jüngsten Teilnehmerin entfällt, ist sie doch im Reisepass von ihren Eltern eingetragen. Wäre mir auch schwer gefallen eine Unterschrift für eine Dreijährige zu leisten.

Nachdem die Unterschriften geleistet sind und eine Kopie für die Reiseagentur gemacht wurde, verabschiede ich mich Richtung Grenze, knapp drei Stunden von Kathmandu. Die Fahrt führt an Tälern vorbei und an Berghängen entlang. Die letzten Kilometer sind etwas holprig und führen auf unbefestigten Straßen in ein kleines Dorf an der Grenze zu Tibet. Dort treffe ich wieder auf Frank, Martin, Vanessa und deren Tochter Meilin.

Nach etwas packen geht es die paar Meter durch das Dorf zur Grenze. Übliche Prozedur steht an, Carnet de Passage für die Fahrzeuge und die Reisepässe werden mit den jeweiligen Stempeln versehen. Läuft alles ruhig und relaxed ab, die Beamten sind freundlich und stellen uns die inzwischen für uns üblichen Fragen an der Grenze – Woher? Wie lange? Wohin?

Wir werden auf die chinesische Seite durchgelassen. Fahren über die Freundschaftsbrücke China entgegen, als mir als erstes Fahrzeug der Gruppe ziemlich rüde zu verstehen gegeben wird anzuhalten. OK, anhalten, abwarten. Auf Nachfrage, wie lange wir warten müssten, gibt es keine Antwort. Stehen also mitten auf der Freundschaftsbrücke und schauen etwas verlegen und wissen nicht so recht, was wir tun sollen. Laut der Reiseagentur soll uns der Führer für Tibet an der Grenze erwarten, aber weit und breit keine Spur von ihm.

Ein paar Leute werden auf uns aufmerksam und fragen uns, warum wir mitten auf der Freundschaftsbrücke anhalten und nicht zum chinesischen Zoll weiterfahren. Erklären ihnen den Sachverhalt und sie versuchen zwischen dem chinesischen Soldaten an der Brücke und uns zu vermitteln. Die Leute erklären uns dann, dass uns der Soldat nicht ohne Visa weiterfahren lassen will. Soviel zur zwischenmenschlichen Kommunikation ohne Worte. Wir zeigen dem Soldaten unser Gruppenvisa auf dem A4 Blatt und nachdem er die Namen mit denen in unseren Reisepässen verglichen hat, gibt er uns Zeichen weiterfahren zu dürfen. Bin gerade auf mein Moped gestiegen, Motor läuft schon, und will gerade anfahren, als mir der Soldat vor mein Moped tritt und etwas unwirsch auf die hilfsbereiten Leute einspricht. Die deuten auf die Linie auf der Straße, mittig auf der Freundschaftsbrücke, und erklären mir, dass ich mein Moped ab der Linie nicht mehr fahren darf und ich es bis zum Gebäude der chinesischen Zollbehörde schieben müsste. Dass es sich um keinen Witz handelt, kann ich am Gesicht des Soldaten ablesen.

Erst jetzt fällt mir die Linie am Boden auf und auch die anderen Leute, die ihr Zweirad über die Freundschaftsbrücke schieben. Habe also keine Wahl, schiebe mein Moped samt Gepäck die etwa 150 m bis zur chinesischen Zollbehörde, es geht zu meinem Glück nicht bergan. Dann heißt es für uns erstmal orientieren.

Stehen etwas verloren vor dem Gebäude und nach ein paar Minuten wird einer der freundlichen Helfer, die man immer an den Grenzen trifft, auf uns aufmerksam. Fragt uns, wo wir denn hin wollen. Meint nur kurz, ohne unseren Führer würde nichts gehen hier, wo denn dieser sei? Wir haben keine Ahnung. Außer warten können wir im Moment nichts tun und so vertreiben wir uns die Zeit mit kochen und nochmaligem Überprüfen unserer Sachen und Papiere.

Nachdem bis zum frühen Nachmittag unser Führer immer noch nicht aufgetaucht ist, werden wir doch etwas unruhig. Der freundliche Helfer stellt uns sein Telefon zur Verfügung und wir versuchen das chinesische Reisebüro zu erreichen, kein Durchkommen. Rufen anschließend die Reiseagentur in Kathmandu an, die unsere Visa für China beantragt hat, und bekommen die Auskunft, dass sie nur den Auftrag hatten die Visa zu besorgen und sie eigentlich nichts mit der chinesischen Reiseagentur zu tun hätten. Sie würden aber versuchen diese per Telefon zu erreichen, wir sollten ein wenig später nochmals bei ihnen anrufen. Auch wir versuchen wieder bei der Agentur in China anzurufen und kommen durch. Whan-Lung, der Verantwortliche meint nur, dass unser Führer da sein müsste. Verneinen dies und er meint anschließend, dass unser Führer vielleicht etwas Verspätung hat, wir uns keine Sorgen machen sollen und er schon noch an diesem Nachmittag eintreffen wird.

Wir erklären ihm, dass es schon nach 16.00 Uhr ist und die Grenze um 18.00 Uhr dicht macht. Er wisse das und wir sollen uns keine Sorgen machen.

18.00 Uhr, kein Führer aufgetaucht, die Grenze wird geschlossen, was tun? Wir erklären den Chinesen, dass es für uns kein Problem wäre in den Fahrzeugen zu übernachten. Die Chinesen erklären uns wiederum, dass dies nicht möglich wäre. Wir erklären den Chinesen, dass wir die Fahrzeuge wieder mit auf die nepalesische Seite nehmen würden um da darin zu übernachten. Wieder erklären uns die Chinesen, dass auch dies nicht möglich wäre, da die Fahrzeuge bereits auf chinesischem Boden stehen würden. OK, wir erklären den Chinesen schlussendlich, dass sie uns dann doch bitteschön einen Vorschlag unterbreiten sollten, was wir tun sollten oder könnten. Es entsteht eine aufgeregte Diskussion zwischen den chinesischen Grenzbeamten und den hilfreichen Leuten. Nach ein paar Minuten erklärt uns einer der Leute, dass unsere Fahrzeuge nicht auf chinesischem Boden stehen bleiben könnten, aber auch nicht zurück gebracht werden könnten auf nepalesischen Boden, da die Carnet de Passage schon von nepalesischer Seite abgestempelt sind. Er unterbreitet den Vorschlag unsere Fahrzeuge auf neutralen Boden zurückzufahren bzw. zu schieben und er würde uns dann in dem Dorf auf nepalesischem Boden eine Unterkunft organisieren. Wir alle sind nicht so recht zufrieden damit, aber was bleibt uns übrig? Ich schiebe mein Moped also wieder in die neutrale Zone der Grenze auf der Freundschaftsbrücke, bringe mein Gepäck bei Frank im Unimog unter und kurze Zeit später befinden wir uns wieder in Nepal ohne Einreisestempel im Pass. Uns wird erklärt, alles kein Problem und wir sollen mit unserem Helfer am nächsten Morgen wiederkommen.

Der Helfer bringt uns in einem Hotel unter und erklärt uns, dass er uns am nächsten Morgen um 8.00 Uhr wieder abholen will. Falls es später wird, sollen wir auf jeden Fall auf ihn warten.

Nächster Tag, zweiter Versuch die Grenze nach Tibet zu überqueren. Ich schiebe wieder mein Moped vor das chinesische Zollgebäude und dann ist mal wieder warten angesagt. Mittag, nichts passiert. Wir kochen uns etwas. Unsere Anrufe bei der chinesischen Reiseagentur bleiben erfolglos – heißt immer nur, der Führer müsste schon längst da sein. Ist er aber nicht. 16.00 Uhr, wir richten uns schon auf eine weitere Nacht in Nepal ein. Die Leute kennen uns ja inzwischen ganz gut.

Dann, wie aus dem Nichts, steht plötzlich unser Führer für Tibet vor uns. Er entschuldigt sich mehr als einmal bei uns. Der Grund seiner Verspätung, das Organisieren von wichtigen Papieren zur Durchfahrung von Tibet. Und das obwohl wir unsere Dokumente schon vor etwa drei Monaten eingereicht haben.

Es ist kurz vor 17.00 Uhr und wir werden zur Eile angehalten. Obwohl all unser Gepäck am oder in den Fahrzeugen untergebracht ist, bevor eine Fahrzeugkontrolle durchgeführt wird, müssen wir zumindest eine Tasche oder Beutel mit etwas Inhalt auf das Laufband des Scanners legen.

Unsere Visa und Reisepässe werden kontrolliert, wobei wir in genau der Reihenfolge der Namen auf dem Gruppenvisa antreten müssen. Geschieht alles etwas hektisch, die Beamten wollen Feierabend machen.

Unsere Fahrzeuge werden durchsucht, wobei sich das Interesse an meinem Moped doch in Grenzen hält. An dem Unimog von Frank und dem T3 VW-Bus von Familie Speed herrscht größeres Interesse. Letztendlich sind alle Fahrzeuge kurz vor 18.00 Uhr durch den Zoll. Papiere einsammeln und schon werden wir wieder zur Eile angespornt, um in das etwa 15 km entfernte Dorf zu gelangen. Da müsste unser Führer noch ein Papier zur Weiterfahrt organisieren.

Es fängt an zu regnen und wir fahren im Nebel in das Dorf ein. Da heißt es mal wieder warten. Kurz bevor es dunkel wird informiert uns der Führer, dass die entsprechenden Büros schon geschlossen hätten und wir bis morgen warten müssten. Er will uns eine Unterkunft organisieren, aber wir erklären ihm, dass wir in den Fahrzeugen übernachten würden, Frank hat sich bereit erklärt, mich bei ihm im Unimog übernachten zu lassen, und er uns am Morgen hier wieder antrifft.

Am nächsten Morgen regnet es immer noch und mal wieder keine Spur von unserem Führer. Gegen 10.00 Uhr taucht er kurz auf und erklärt uns, dass heute ein chinesischer Feiertag wäre und normalerweise von den Beamten keine Papiere ausgestellt werden. Er versucht aber sein Bestes. Wir machen uns erstmal auf in das Dorf um etwas zu essen.

Kurz nach Mittag kommt er freudestrahlend auf uns zu und meint, er hätte die Papiere und dass es so lange gedauert hätte weil er ein paar Gläser mit den Beamten leeren musste. Einer Weiterfahrt stünde nun nichts mehr im Wege.

Nochmals auf seine Verspätung angesprochen, erklärt er uns, dass China in etwa zwei Wochen eine Wiedervereinigungsfeier abhält und es dadurch schwierig war und länger als üblich gedauert hätte die benötigten Papiere für die Durchfahrung zu organisieren. Wir müssten Tibet auch wieder spätestens zum 15. Mai verlassen haben. Ansonsten droht uns und unserer Reiseagentur eine empfindliche Strafe.

Also, auf nach Tibet. Ein weiteres Land nach Nepal, das ich schon immer mal bereisen wollte und es nie geschafft habe vorbei zu schauen. Dass es hoch hinausgehen wird, können wir schon am ersten Tag unserer Tibettour erahnen. Die erste Übernachtung ist auf 4 200 m.

Wie wir später erfahren haben, wurden die Grenzen nach Tibet ab dem 15. Mai für etwa drei Monate geschlossen. Was einer anderen Gruppe, die zwei Wochen nach uns Tibet auf der gleichen Route durchqueren wollte, zum Verhängnis wurde. Sie mussten sich für die Zeit in Nepal einrichten.

Kalt war es.
Kalt war es.

Thorong-La Pass – 5 416 m zum Verschnaufen

18.04.2011

 

Hinter dem Kloster führt ein kleiner Pfad immer aufwärts. Dieser Pfad gehört zu dem Annapurna Rundweg und führt von Muktinath aus auf den 5 416 m hohen Thorong-La Pass. Von Muktinath aus soll der Weg auf den Pass zwar kürzer sein, dafür muss aber ein größerer Höhenunterschied (ca. 1600 m) überwunden werden. Der Aufstieg und Abstieg von und nach Muktinath ist, laut den Leuten, in einem Tag möglich – sofern man bei gutem Wetter spätestens um 6.00 Uhr morgens den Aufstieg beginnt. Spätestens gegen 15.00 Uhr soll man wieder zurück oder in einer Unterkunft sein, denn ab da setzen die kalten Winde wieder ein.

Bin mir wegen der Höhe des Passes etwas unsicher und überlege mir ernsthaft den Pass auszulassen. Komme schon in Muktinath auf 3 800 m beim Wandern außer Atem. Der Gedanke, den Pass auszulassen, bereitet mir allerdings eine schlaflose Nacht. Würde eine kleine Generalprobe sein, denn in Tibet gilt es schlussendlich auch Pässe mit über 5 000 m zu überwinden. Einziger Unterschied, ich fahre die Pässe in Tibet hoch.

Unterhalte mich mit ein paar Trägern und Leuten, die jeden Abend kommen um mit ihrem Bögen zu trainieren. Die Leute empfehlen mir alle doch erstmal die 400 m höher gelegenen Hütten anzulaufen und dort zu übernachten, und wenn ich keine Probleme hätte mit der Höhe, diese Hütten befinden sich auf 4 200 m, dann stünde einem Aufstieg zum Pass nichts mehr im Wege. Wenn ich aber mit der Höhe Schwierigkeiten hätte, wäre ich auch schnell wieder unten in Muktinath. Der Aufstieg zu den Hütten würde keine drei Stunden dauern. Einen Führer würde ich keinen brauchen, da der Aufstieg mit Pfählen gekennzeichnet wäre und ich den gleichen Weg wieder zurück käme, auch solle ich nur das Nötigste im Tagesrucksack mitnehmen.

Überlege mir das Ganze noch kurz, richte alles zusammen und mache mich tags darauf auf, die Hütten zu erreichen. Nach etwa 2 ½ Stunden gemütlichem Wandern und dem Überqueren einer Hängebrücke stehe ich vor den Hütten und quartiere mich in einer ein.

Am Nachmittag nehme ich mir den weiteren Aufstieg vor und genieße trotz meines Schnaufens in der Höhe die phänomenale Aussicht und den blauen Himmel. Nach etwa zwei Stunden mache ich mich wieder an den Abstieg und hier bewahrheitet sich wieder mal, dass der Abstieg oft der schwierigere Teil ist. Nicht wegen der Anstrengung, aber in meinem Alter machen sich so langsam auch die Knie bemerkbar. Habe ich mich bisher immer über die Skistockwanderer lustig gemacht, nehme ich in Nepal freiwillig das Angebot von meiner Hüttenwirtin an, einen Stock mitzunehmen. Schätze diesen Stock vor allem beim Abstieg.

Als ich wieder an meiner Hütte ankomme, bemerke ich ein Pärchen, das sich ebenfalls etwas weiter hoch begeben hat. Als sie sich wieder bei der Hütte einfinden, kommen wir ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass auch sie tags darauf auf den Thorong-La Pass wollen. Allerdings wollen sie den Rundweg weitergehen und müssen deswegen ihre Rucksäcke mitnehmen. Sie haben sich schon einen Führer und Träger für den Aufstieg angestellt. Nach einem warmen Kaffee einigen wir uns, dass ich mich ihnen am nächsten Morgen anschließen könne und es um 6.00 Uhr früh losgehen soll.

Organisiere alles für meine morgige Tour. Wasser in den Camelback, Müsliriegel, etwas Obst, etwas Futter und die Kamera nicht vergessen. Zur Vorsicht noch ein paar warme Klamotten im Tagesrucksack, falls das Wetter umschlagen sollte.

Am nächsten Morgen geht es pünktlich um 6.00 Uhr los. Wir werden noch mit einer Thermoskanne mit warmem Tee für unterwegs versorgt und dann geht es an den Aufstieg. Dass es um 6.00 Uhr noch dunkel und saumässig kalt ist, brauche ich, denke ich, hier nicht zu erwähnen. Hab fast alle Klamotten, die ich mit mir auf meiner Tour habe, am Mann.

Der Wind pfeift uns um die Ohren, die Stirnlampen leuchten den Pfad aus und der Führer läuft guten Schrittes vorneweg. Man sieht zwar nicht wie steil es nach oben geht, aber das Gefühl in der Wadengegend sagt aus – es geht steil bergauf.

Nach etwa einer Stunde gibt es die erste Verschnaufpause. So langsam wird es auch hell und was wir sehen, verlangt uns Respekt ab. Es geht einfach nur bergan. Meine Strategie - trinken nicht vergessen und nicht all zu weit voraus schauen. Zu allem Übel verschlechtert sich nach etwa einer weiteren Stunde auch noch das Wetter. Man kann förmlich die Wolken über den Pass kommen sehen und kurze Zeit später setzt auch der Wind ein. Nach ein paar weiteren Schritten stehen wir mitten in einem Schneesturm. Umkehren ist keine Option, der Führer schreitet weiter lockeren Schrittes voran. Hat sich inzwischen etwas von uns gelöst und wir können ihn klein und weit voraus ausmachen. Also, hinterher. War ja schließlich unsere Idee hier hoch zu kommen. Gibt keine Ausreden hier am Berg.

Mittlerweile laufen wir durch Schnee und immer noch kein Ende in Sicht. Bin ganz schön am Schnaufen. Die Höhe macht sich unmissverständlich bemerkbar. Aber außer der Atemnot geht es mir, soweit ich das beurteilen kann, echt gut. Merke jeden Schritt, den ich schneller laufen möchte, am Atem. Wir machen eine zweite Verschnaufpause, und als ich Wasser aus meinem Camelback trinken möchte, kommt nichts. Bei genauerem Hinsehen kann ich erkennen, dass das Wasser in dem Schlauch zum Camelback gefroren ist. Trinke das Wasser direkt aus dem Camelback.

Der warme Tee, Müsliriegel und ein wenig Futter sollen die letzten Kräfte für die letzten Meter zum Pass mobilisieren – tun sie aber nicht wirklich, wie sich für mich herausstellt. Die Kräfte schwinden langsam aber sicher. Mit langsamem Schritt nähern wir uns der Hütte, die auf dem Pass in Sicht kommt und auch der Führer winkt uns schon entgegen. Die letzten Schritte kosten noch mal einige Überwindung, bevor uns warmer Tee entgegengestreckt wird.

Sehe nicht viel von der Umgebung. Stehe im Schnee und mitten in einem kleineren Schneesturm. Die Aussicht ist beschissen und eine Tafel weist darauf hin, dass man erfolgreich den höchsten begehbaren Pass erreicht hat. Nach dem Tee und ein paar Bildern verabschiede ich mich von dem Paar und mache mich alleine an den Abstieg. Unsere Spuren vom Aufstieg sind fast alle von dem Wind verweht worden und ich orientiere mich an den Pfählen und Leuten, die sich auch an den Abstieg nach Muktinath gemacht haben. Wegen dem großen Höhenunterschied kommen nicht viele Wanderer über Muktinath auf den Thorong-La Pass. Wenn man aber am gleichen Tag wieder an den Abstieg denken möchte, ist dies die einzige Möglichkeit. Ansonsten ist man gezwungen den Annapurna Rundweg für ein paar Tage einzuschlagen.

Der Abstieg wird etwas holperig. Unterwegs treffe ich auf einen Australier dem ich mich anschließe und zurück an den Hütten ist das Wetter wieder sonnig mit blauem Himmel. Genehmigen uns erstmal eine warme Suppe und machen uns kurze Zeit später an den Abstieg nach Muktinath.

Am späten Nachmittag treffen wir an meiner Unterkunft ein und der Australier sichert sich auch ein Bett für die Nacht.

Am nächsten Morgen wird es Zeit meine Weiterreise zu organisieren. Mein Moped hat etwas Startschwierigkeiten, aber nach dem zweiten Versuch gibt der Motor doch die vertrauten Töne von sich. Kette schmieren und die Klamotten für den nächsten Tag zusammenraffen bestimmen meinen Tagesablauf. Der Rückweg gestaltet sich angenehm, ein Regenschauer bleibt diesmal aus. Übernachte wieder bei der Familie, werde von der Mutter kulinarisch versorgt und albere mit den Kindern herum. Nach zwei Tagen bin ich wieder in Pokhara und genehmige mir erstmal einen Cappuccino und rekapituliere meine Zeit am Berg. 5 416 m, so hoch war ich noch nie. Weder zu Fuß noch mit einem Fahrzeug. Unglaublich. Highlight.

Muktinath liegt auf 3 800 m.
Muktinath liegt auf 3 800 m.

Muktinath – es geht aufwärts

10.04.2011

 

Die Strecke von Kathmandu nach Pokhara ist auf asphaltierter Straße schnell und problemlos zurückgelegt. Die Straße windet sich kurz hinter Kathmandu durch eine enge Schlucht talwärts. Am Nachmittag komme ich in Pokhara an und orientiere mich etwas. Von anderen Reisenden habe ich die Empfehlung zweier Campingplätze bekommen, bei einem kann das Zelt direkt am See platziert werden. Oder etwas nördlich am See entlang bis zum nächsten Ort gibt es einen anderen Campingplatz, auf dem auch die Overlaenders mit ihren Fahrzeugen zum Stehen kommen.

Als ich auf den Platz fahre, fallen mir sofort ein paar Fahrzeuge auf, die ich auch schon am Agonda Beach in Indien getroffen habe. Unter anderem Frank mit seinem Unimog, Martin mit seiner Familie und dem T3 VW Bus, mit denen ich mich durch Tibet und China nach Laos schlagen will.

Es sieht nach Regen aus und wie mir die Leute versichern, wenn es regnet, regnet es richtig. In den letzten Tagen hätte es mehrmals den Campingplatz unter Wasser gesetzt und es hat Tage gedauert, bis der Boden wieder einigermaßen trocken war. Entschließe mich deswegen, in einem nahe gelegenen Hostel unterzukommen. Eigenes Zimmer, Essen auf dem Dach und freundliche Leute. Nachdem ich mich mit den Verantwortlichen auf den Preis geeinigt habe, richte ich mich erstmal für ein paar Tage ein. Genehmige mir zum Abendessen gefüllte Teigtaschen, eine wirkliche Spezialität hier in Nepal, und etwas Alkoholfreies zum Runterspülen.

Bin gerade am Abpacken meines Mopeds als mich Leigh, ein Engländer, anspricht. Wie sich herausstellt ist er mit seinem Fahrrad auf dem Weg, die Welt zu umrunden und wir verplappern die nächsten Stunden etwas. Es wird schon dunkel als Leigh sich aufmacht, den Campingplatz etwas weiter aufzusuchen. Ein paar Tage später zieht auch er in ein Hostel um, denn all seine Sachen sind in dem Regen nicht mehr trocken zu bekommen und auch in seinem Zelt hat er garantiert keine trockenen Nächte mehr.

Am nächsten Tag mache ich mir einen groben Plan für meine nächsten Tage. Besuche Frank, Martin und seine Familie und ein paar andere Bekannte vom Agonda Beach auf dem nahe gelegenen Campingplatz und fasse dabei den Entschluss, mit meinem Moped Muktinath im Annapurna Gebiet anzufahren.

Die Strecke nach Muktinath ist ein Bestandteil des Annapurna Tracks und kann seit ein paar Jahren auch angefahren werden. Dabei muss für das Annapurna Gebiet eine Genehmigung für die Tage des Aufenthalts beantragt werden und wenn man den Thorong-La Pass erwandern will, braucht man auch dafür eine Genehmigung. Diese Genehmigungen können problemlos auf dem Touristenbüro in Pokhara beantragt werden und gegen eine kleine Gebühr auch am gleichen oder nächsten Tag abgeholt werden.

Bis Beny verkehren die Busse und Taxis. Ab Beny werden die Leute dann in 4x4 Fahrzeugen oder auf Mopedtaxis umgeladen. Hat man wie ich sein eigenes Moped unterm Hintern, kann man problemlos bis Muktinath durchfahren. Wobei problemlos nur für diejenigen gilt, die genügend Offroad-Erfahrung haben. Muktinath liegt auf etwa 3 800 m und man sollte die Auffahrt genießen und sich dabei genügend Zeit nehmen, um so der Höhenkrankheit vorzubeugen. Ich genehmige mir zwei Tage für die Fahrt, stelle mein Zelt unterwegs in der Nähe einiger Hütten auf und werde von den Leuten zum Abendessen eingeladen. Kaum steht mein Zelt und ich nehme gerade Platz am Feuer in einer der Hütten, als es auch schon losstürmt und ich mir etwas Gedanken um mein Zelt mache. Der Wind nimmt zu, aber ich bleibe erstmal sitzen. Vertraue auf mein Zelt, hat mich bis hierher immer im Trockenen nächtigen lassen. Hoffe nur, die Heringe halten dem Winddruck stand.

Sehe der Familie beim Zubereiten des Abendessens zu und über die Gebärdensprache versuche ich ein Gespräch in Gang zu bringen. Für die Kinder ist das belustigend und es geht nicht lange und die Mutter setzt mir ihr Kleines auf den Schoss. Der Kleine schaut mich etwas verwundert an, kann sich nicht so recht entschließen zu lachen oder zu weinen. Nach ein paar Blödeleien meinerseits hat er sich aber dazu entschlossen doch lieber zu lachen. Darf ihm dann zur Belohnung sein Abendessen zuführen.

Sehe mich etwas in der Hütte um und komme wieder mal zu der Erkenntnis, dass man nicht viel braucht um zu leben. Die Hütte ist an einem Hang gebaut mit einer schönen Aussicht und einem kleineren Wasserfall in der Nähe. Die Hütte ist mit einer offenen Feuerstelle und einer langen Bank davor ausgestattet. Die Schlafstätten sind durch Teppiche von dem Rest der Hütte abgetrennt. Für mich sieht alles etwas romantisch aus, denke mir aber, dass sich im Winter das Leben hier oben meist vor dem Feuer in der Hütte abspielen wird.

Etwas weiter, auf der nächsten Erhöhung, steht eine weitere Hütte. Halb offen im Zugang und mit Tischen und Stühlen ausgestattet. Wenn ich die Handzeichen der Mutter richtig verstanden habe ist das ihr Lebensunterhalt. Die Familie bietet in der zweiten Hütte Getränke und kleinere Speisen für die Touristen und andere Leute auf dem Weg nach Muktinath an.

Ich sitze auf der längeren Bank vor dem Feuer der Hütte, den Kleinen auf dem Schoss und die anderen Kids um mich herum. Bekomme mein Abendessen serviert, fragt mich nicht was es ist – kann Euch diese Frage leider nicht beantworten, schmeckt aber vorzüglich und als ich einen Nachschlag nicht verweigere, ist mein Teller beim zweiten Gang voller als beim ersten Gang. Will die Leute nicht enttäuschen und nehme mir die Zeit, den Teller fein säuberlich zu hinterlassen.

Der Sturm hat sich wieder verzogen und ich schaue nach meinem Zelt, den Kleinen immer noch bei mir. Mein Zelt scheint allen Widrigkeiten zum Trotz dem Sturm standgehalten zu haben und ist im Inneren noch trocken. Vergewissere mich gerade, als ich von der Mutter des Kleinen gerufen werde. Zurück an der Hütte, wird mir unverzüglich eine Tasse mit heißem Tee gereicht. Nach dem Tee wird es dann Zeit für mich den Kleinen wieder abzugeben und mich meinem Zelt zuzuwenden. Es wird eine klare und kühle Nacht, ideale Schlafbedingungen.

Kaum stehe ich am nächsten Morgen vor meinem Zelt, sind die Kids auch schon wieder da und die Mutter ruft herüber zum Frühstück. Tee und eine Art Omelett werden mir mit etwas Brot serviert. Schmeckt, wie das Abendessen, hervorragend und nach dem Frühstück helfen mir die Kids mein Moped reisefertig zu machen. Da ich denselben Weg wieder zurückfahren muss, entschließe ich mich bei der Familie wieder vorbei zukommen.

Ab Beny wird der Weg etwas taffer und das Fahrkönnen wird etwas mehr gefordert. Treffe in Beny vor meiner Weiterfahrt auf zwei Deutsche, die mich auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen einladen. Kurz hinter Beny werden die Genehmigungen für das Annapurna Gebiet eingesehen und kontrolliert, nach den entsprechenden Stempeln steht einer ungestörten Weiterfahrt aber nichts mehr im Wege.

Ab hier bekomme ich einen ersten Eindruck von Nepal wie ich es mir immer schon vorgestellt habe. Im Hintergrund die schneebedeckten, mächtigen Berge, während die Fahrt immer höher hinausgeht und auch richtig geile Täler durchfahren werden dürfen. Da der Weg für zwei Fahrzeuge nicht breit genug ist, muss ich des Öfteren einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen. Die zum Teil enorme Tiefe hinunter zum Gebirgsbach flösst mir dabei immer wieder großen Respekt ein.

Mir bleibt mehr wie einmal die Sprache weg und ich halte des Öfteren an, um zu fotografieren. Bei einer Hängebrückenüberfahrt drücke ich einem Einheimischen die Kamera in die Hand und er filmt meine Überfahrt. Zwei Flüsse darf ich auf dem Weg nach Muktinath auch noch durchfahren. Die letzten Kilometer stellen eine kleine Herausforderung dar, schlussendlich stehe ich aber vor den Häusern Muktinaths auf 3 800 m.

Muktinath selbst besteht überwiegend aus kleineren Unterkünften und Souvenirhäusern. Der Rundumblick ist atemberaubend mit all seinen 6 000ern bis 8 000ern in der näheren Umgebung. Bei schönem Wetter ist dieser Ausblick unbezahlbar.

Suche mir eine Unterkunft und werde bei einem Haus etwas abseits der anderen fündig. Für etwa einen USD die Nacht darf ich mir ein Zimmer aussuchen und mein Moped vor der Haustür abstellen.

Auf solch einer Höhe gehen die Temperaturen nachts schmerzlich zurück. Meist bis an den Gefrierpunkt, öfter auch deutlich darunter.

Die Zimmertemperaturen gleichen den Außentemperaturen, wenn man es warm haben möchte muss man sich im Wohnzimmer, der so genannten guten Stube, einfinden, wo jeden Abend der Holzofen angefeuert wird und so für wohlige Wärme zumindest im Ess- und Wohnzimmer sorgt. Lerne hier oben die dicken und sauschweren Bettdecken in den Zimmern zu schätzen. War diesen gegenüber zuerst etwas misstrauisch, wenn man aber unter die Decke schlüpft und sich an das enorme Gewicht gewöhnt hat, heizen diese richtig ein. Fällt mir am Morgen immer wieder schwer unter meiner Decke hervorzukommen. Dusche und Wasser zum Waschen haben ebenfalls nicht mehr wie Außentemperatur – ich sag es mal so, man wird beim morgendlichen Waschen richtig wach.

Finde heraus, dass sich hinter dem Haus allabendlich ein paar Männer einfinden um mit ihren Bögen ihre Zielsicherheit zu erproben. In etwa 25 m Entfernung zueinander stehen zwei Holzpfähle, die jeweils mit einem kleinen Eisenring versehen sind. Von einem Holzpfahl aus wird versucht in den kleinen Eisenring des anderen Pfahles zu treffen. Die Bögen sind, wie auch die Pfeile, alle Eigenbauten und meist aus Bambus hergestellt. Durch das Verhalten und dem Agieren der Männer stellen sich für mich schnell zwei Männer heraus, die einen Sonderstatus in der Gruppe genießen. Wenn man diese ihre Pfeile abfeuern sieht, wird auch schnell klar warum. Die beiden platzieren ihre Pfeile immer in der Nähe der Eisenringe oder sogar darin. Sie sind mit Abstand die besten Schützen in der Gruppe. Wenn diese zwei Schützen mal nicht bei der Gruppe sind, wird verbissen und ernsthaft an der eigenen Zielgenauigkeit gearbeitet. Ein Schiedsrichter ist immer dabei und hat, mit einem für mich nicht heraus zu findenden Punktesystem, die Punkte bzw. erzielten Ringe gezählt.

In dem Haus, in dem ich übernachte, spielt sich nach Sonnenuntergang alles im Wohn- und Esszimmer ab. Die Leute sitzen um den Ofen und halten das Feuer am Brennen. An den Tagen als ich da bin, bin ich der einzige Ausländer und genieße das sehr.

Als ein Kleinkind unter der Höhenkrankheit leidet, wird ihm mit Wärme geholfen. Alle Beteiligten erwärmen am Ofen ihre Hände. Dann wird das Kind fast komplett entkleidet und mit den warmen Händen streichen alle an Rücken, Armen, Beinen, Bauch und Kopf entlang und streicheln das Kind. Die Mutter gibt ihm dabei warmen Tee zu trinken. Mit der Zeit hat sich das Kind beruhigt und ist in den Armen der Mutter eingeschlafen.

Die Straße endet in Muktinath und ab hier geht es nur noch per Pferd, Maulesel oder zu Fuß weiter. Etwas oberhalb der Häuser von Muktinath befindet sich ein Kloster, das man besuchen kann. Viele Gläubige von Indien finden sich hier ein und es gilt als heilend, unter den 113 Brunnen durch das eiskalte Wasser hindurchzugehen. Dabei ist darauf zu achten von allen 113 Brunnen Wasser zur Reinigung abzubekommen. Die Brunnenenden sehen aus wie Kuhköpfe und jedem der 113 Kuhköpfe rinnt ein kleiner Wasserstrahl aus dem Maul.

Viele Gläubige füllen sich auch Flaschen des heiligen Wassers ab und achten penibel darauf, dass auch von allen 113 Brunnen ein wenig Wasser in die Behältnisse abgefüllt wird. Viele nehmen in den Becken vor dem Kloster auch ein Bad im eiskalten Wasser.

Wenn man dem Wasserlauf etwas nachgeht, findet man schnell heraus, dass das heilige Wasser aus einem kleinen Gebirgsbach von etwas oberhalb des Klosters kommt und über eine Wasserrinne den 113 Kuhköpfen zugeführt wird. Wie dem auch sei, heißt es doch nicht ohne Grund – der Glaube versetzt Berge. Dieser Glaube hat mir schon mehr wie einmal auf meiner Tour geholfen, warum also nicht auch diesen Leuten.

Anhalten, Aussicht genießen ist ein muß auf der Strecke.
Anhalten, Aussicht genießen ist ein muß auf der Strecke.

Nepal – ganz anders als ich es mir vorgestellt  habe

02.04.2011

 

Wie reist man in Nepal ein? Ganz einfach, man fährt von Indien kommend einfach über die Grenze. Hab ich so auch, unwissentlich, gemacht und wundere mich, warum niemand was von mir will. Bin mir aber auch nicht so sicher, ob ich denn schon in Nepal bin, laut GPS habe ich die Grenze schon vor ein paar Kilometern überquert. Frage ein paar Leute auf der Straße.

``Wo ist der Grenzübergang von Indien nach Nepal?``

Die Leute deuten in die entgegen gesetzte Richtung.

``Befinde ich mich schon in Nepal?``

``Ja, das hier ist Nepal.``

``Wie weit ist es zurück bis zur Grenze nach Indien?``

``Etwa 15 km auf dieser Straße.`` Und man deutet wieder in meine entgegen gesetzte Richtung.

Die Grenze war von mir, aller Voraussicht nach, vor etwa 15 Kilometern überquert worden. Also zurück nach Indien und nochmals einreisen, diesmal legal. Die nepalesischen Beamten winken mich mit einem Lächeln auch gleich freundlich weiter, zurück auf die indische Seite.

Ich reise, ein zweites Mal, von indischer Seite über Birgunj in Nepal ein und dieses mal fällt mir auch der kleine Turm in der Mitte einer größeren Brücke aus Holz auf, in der sich die indischen Grenzbeamten befinden und mein Erscheinen mit einem Lächeln quittieren.

``Wir haben Dich schon erwartet.``, kommt es mir entgegen. ``Wir haben Dich rüber fahren sehen und uns gedacht, dass du früher oder später wieder zurückkommst.``

Wie dem auch sei, ich werde freundlich von einem der Beamten in sein Büro begleitet und bei Tee und Gebäck stellt er mir die üblichen Fragen – Woher? Wohin? Wie lange? Und noch ein paar andere Fragen.

Derweil ist ein anderer Beamter mit meinen Papieren unterwegs, um den Ausreisestempel für Indien in meinen Reisepass und Carnet de Passage einstempeln zu lassen.

Nach etwa einer halben Stunde kommt er mit meinen ausgestempelten Papieren wieder und einer legalen Einreise nach Nepal steht jetzt wohl nichts mehr im Wege.

Nepal ist eines der Länder, die ich schon seit meiner Teenagerzeit besuchen wollte, es aber aus irgendwelchen Gründen nie geschafft habe, mal vorbei zu schauen. Nun ist es also soweit und ich bin wirklich neugierig auf das Land, das ich schon so lange mal bereisen will.

Visumfür Nepal gibt es direkt an der Grenze und kann für bis zu 90 Tage beantragt werden. Pro Tag entfällt ein Dollar. Wobei nur 30, 60 oder 90 Tage beantragt werden können. Nehme ein Visum für 30 Tage, also 30 Dollar. In etwa einem Monat beginnt unser Abenteuer Tibet und China und so müsste ein Visum über einem Monat ausreichend sein für Nepal. Nach dem Visum noch das Garnet de Passage und dann geht es legal über die Grenze und ich stehe erstmal im Wald. Nein, nicht im sprichwörtlichen Sinne, sondern wirklich im Wald – im Dschungel um genau zu sein. Nepal entspricht so gar nicht meinem Bild, das ich mir auf der Tour erschaffen habe. Nepal verbinde ich mit Bergen, Schnee und großen Höhen. Hier im Dschungel werden aber Elefantenritte und Dschungeltouren angeboten. Die Temperaturen sind im günstigsten Falle als mild zu bezeichnen. Meist herrscht tagsüber große Schwüle und eine hohe Luftfeuchtigkeit – kurzum, man schwitzt, auch wenn man nichts tut. Entspricht also so gar nicht meinem Bild von Nepal.

Was ich aber schon in den ersten Tagen in Nepal dazu lerne ist, Nepal ist ein Land der Extreme. Wenn man will, und dazu in der Lage ist, kann man in Nepal von Meereshöhe und Dschungel, innerhalb von etwa 150 km, auf den höchsten Punkt und Berg der Erde, den Mount Everest, laufen und klettern – wie gesagt, wenn man dazu in der Lage ist.

Die Straße von Birgunj nach Nepal ist eine dermaßen mopedfreundliche, sprich kurvenreiche Strecke, dass ich das Geradeausfahren schon bald nicht mehr gewohnt bin. Halte mehrmals an um zu fotografieren und um einfach die Landschaft zu genießen. Vergesse etwas die Zeit dabei und komme bei einsetzender Dunkelheit in Kathmandu an. In Kathmandu steuere ich, auf Empfehlung anderer Reisender, das Kathmandu Guesthouse an. Bin gerade dabei mein Moped auf dem Parkplatz davor abzustellen, als sich ein Pförtner zu mir gesellt und etwas abfällig darum bittet doch mein Moped bitteschön anderswo abzustellen, dies wäre der Parkplatz für die Gäste. Bin schon geneigt zu entgegnen, dass ich eventuell dabei bin ein solcher zu werden, unterdrücke aber den Impuls und schiebe mein Moped ein paar Meter weiter zurück auf die Straße.

Mein erster Eindruck und mein Bauchgefühl sagen mir, und wenn die Unterkunft noch so billig ist, hier werde ich wohl meinen Arsch nicht niederlegen. Erledigt sich aber alles von alleine, die Unterkunft ist zu teuer für mein spärliches Budget und ich verabschiede mich freundlich aber bestimmt von meinem Freund dem Pförtner.

Stehe so wieder auf der Straße und schaue erstmal etwas ratlos aus, wie mir scheint. Denn kurz darauf spricht mich ein Mann an und fragt, ob ich nach einer Unterkunft suche. Bejahe dies und er empfiehlt mir ein Hostel etwas weiter in der Straße. Das Hostel hätte erst kürzlich geöffnet und ist auf der Suche nach Gästen. Folge dem Mann die Straße entlang und nachdem ich mich von der Qualität des Zimmers überzeugt habe und die obligatorischen Preisverhandlungen stattgefunden haben, darf ich mein Moped im Innenhof direkt vor einer Wechselstube parken. Das Hostel befindet sich im ersten Stock in dem Gebäudekomplex. Die Leute sind noch am Einrichten einzelner Zimmer und man kann auch noch den Geruch frischer Farbe wahrnehmen.

Einen Friseur hat es auch im Erdgeschoss, den ich gleich nach dem Einchecken und einer Dusche in Anspruch nehme. Der Haarschnitt erfolgt wie üblich mit einer anschließenden Kopfmassage und mein freundliches Bild von Nepal und seinen Leuten ist wieder hergestellt.

Thamal ist in Kathmandu die Ecke der Touristen und fahrenden Händler. Hier kann man sich für seine Expeditionen in die Berge mit all dem so genannten unentbehrlichen Outdoorklamotten eindecken. Vorsicht ist dabei geboten, vieles, was so billig angepriesen wird, ist meist nicht wirklich original.

In Kathmandu gibt es, wie in Varanasi in Indien auch, Verbrennungsstätten, die man besuchen und dabei den Totenverbrennungen beiwohnen kann.

In Kathmandu gilt es nun, sich über die Visabeschaffung für unsere Truppe zu erkundigen und zu organisieren. Wie sich herausstellt, wird dies alles von unserer beauftragten chinesischen Agentur vorbereitet und mittels Email werden wir dann informiert, wo und wann wir uns in Kathmandu einfinden sollen, um unsere Reisepässe abzugeben.

So mache ich mich auf nach Pokhara, einer der Ausgangsstationen ins Himalaya Gebirge und Arbeitsplatz eines ehemaligen Arbeitskollegen von Äthiopien.