Auf dem Weg - In Wort und Bild

12 Syrien

Schlafplatz in der syrieschen Wüste
Schlafplatz in der syrieschen Wüste

Schlafplatzsuche

19.09.2010

 

Nach Palmyra bin ich auf dem Weg Richtung Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Dazu geht es erstmal wieder durch die Wüste. Fahre auf Nebenwegen dem Kloster Deir Mer Musa entgegen. Durch die Wüste, über die Dörfer, dem Hügel auf dem das Kloster steht, entgegen. Kann das Kloster auf der Anhöhe schon auf dem Weg dahin gut erkennen. Angekommen offenbart sich ein großer Parkplatz, um sein Fahrzeug abzustellen. Zum Kloster geht es dann durch ein kleineres Tor, halb geöffnet und mit einer Kette am Boden gesichert. Will gerade mein Moped abstellen, als mich jemand darauf aufmerksam macht, durch das Tor zu fahren bis zu den ersten Gebäuden, da wäre es sicherer untergebracht als auf dem Parkplatz. Komme in der Breite gerade so durch das Tor und halte vor einer kleinen Werkstatt. Rimar, der Eigentümer kommt mir auch schon entgegen und fragt, ob ich zum Kloster hoch gehen möchte. Wenn ja, kann ich mein Motorrad auch in seiner Werkstatt unterstellen, wäre da sicher untergebracht. Bedanke mich und nehme das Angebot gerne an. Rimar erklärt mir, dass man in dem Kloster gegen eine freiwillige Spende übernachten und mit den Mönchen zu Abend essen kann. Falls ich dies vorhätte kann ich mein Moped gerne in seiner Werkstatt lassen und er wäre am nächsten Tag gegen 9.00 wieder da. Will mir erstmal alles ansehen und dann entscheiden, ob ich die Nacht im Kloster verbringen will. Mache mich an den Aufstieg. Nach etwa 20 Minuten bin ich am Kloster angekommen und schaue mich um. Macht einen einladenden Eindruck. Bekomme gleich bei meiner Ankunft kaltes Wasser gereicht. Einige Schilder weisen darauf hin, sich nicht allzu laut zu gebärden. Ruhe wird bevorzugt. Kommt mir entgegen. Nur, warum halten sich die Leute, die schon da sind, nicht daran? Ist mir alles etwas zu laut und zu unruhig. Beschließe, mich wieder auf den Weg zu machen und mir ein anderes Nachtlager zu suchen. Ist ja erst Mittagszeit. Nach dem Abstieg steige ich wieder auf mein Moped und bin wieder auf dem Weg Damaskus entgegen. Besuche noch Malula, eine kleine Stadt an Felsen gebaut, mit einem Konvent mitten in der Stadt. Nun wird es etwas dringlicher, sich Gedanken über einen Schlafplatz für die Nacht zu machen.

Wenn man so seine Zeit mit Reisen verbringt stellt sich am späten Nachmittag immer wieder die Frage, wo und wie verbringe ich die folgende Nacht. Man hält dann seine Augen auf und sucht das Gelände nach einem geeigneten Stellplatz für das Zelt ab. Dabei wird immer mal wieder von der Straße abgebogen um das eine oder andere vermeintliche Versteck für das Zelt etwas näher in Betracht zu ziehen, man will ja schließlich ungestört die Nacht verbringen. Dabei verlässt man sich auch auf sein Bauchgefühl, das sich auf der Reise irgendwann wie von selbst einstellt.

Fahre außerhalb von Malula einige Nebenwege ab, um einen Platz für mein Zelt zu finden. Werde dabei von einigen Leuten beobachtet, und der eine oder andere gute Platz stellt sich als nicht so geeignet heraus. Komme auf wundersame Weise auch immer wieder an der gleichen Stelle an, an der ich losgefahren bin. OK, erstmal anhalten, verschnaufen und kurz überlegen, was tun. Da kommen auch schon zwei Männer auf mich zu, Mohammed und Trefi. Mohammed spricht gut Englisch und fragt mich, warum ich die ganzen Wege abfahre. Erkläre ihm, dass ich auf der Suche nach einem geeigneten Platz für mein Zelt bin. Mohammed übersetzt für Trefi und beide schauen sich etwas ungläubig an. Zelten hier draußen? Ja. Viel zu gefährlich wegen der Tiere und den dunklen Gestalten, die nachts in der Gegend herumstreunen. Die Zivilpolizei macht auch ihre Runden, und wenn ich entdeckt werde, muss ich auf jeden Fall das Feld räumen. Suchen noch gemeinsam nach einer Lösung, als Abu Miffle auf seiner 200 ccm Maschine angefahren kommt. Grüne Hose und Hemd, Pistole im Gürtel. Sieht uns, hält an und unterhält sich mit Mohamed und Trefi. Abu Miffle gehört der Zivilpolizei an und macht jeden Abend seine Runden durch das Gelände. Auch er versichert mir, dass es nicht ganz sicher hier draußen ist und es besser ist, sein Nachtlager woanders aufzuschlagen. Die Drei beraten sich kurz, was wohl eine gute Lösung für mich sein könnte. Abu Miffle lädt uns alle erstmal zu sich nach Hause ein. Ich soll ihm folgen mit meinem Moped. Geht über ein paar Feldwege zu Abu Miffle’s Haus. Dort angekommen, Moped abstellen, Stiefel aus, setzen. Wir sitzen in einem Raum mit Stühlen an der Wand aufgereiht. Dauert nicht lange und der Raum füllt sich, auch Mohammed und Trefi kommen vorbei. Abu Miffle’s Bruder Achmad kümmert sich ab da um mich und die anwesenden Leute – alles Männer. Sind erstmal alle an dem Besucher interessiert und während den lockeren Gesprächen wird alles Mögliche serviert – Wasser, Sprite, arabischer Kaffee, Feigen, Plätzchen, Gebäck …. In dieser Reihenfolge und dann wieder von vorne. Im Laufe des Abends steht dann für Abu Miffle fest, dass ich in seinem Hause übernachten werde. Habe keine Chance das Angebot abzulehnen. Als feststeht, ich bleibe über Nacht, wird auch schon das Abendessen in Auftrag gegeben. Das Motorrad wird in den Innenhof des Hauses gebracht, muss dabei die Koffer abnehmen und die Spiegel einklappen. Kurze Zeit später ist das Essen auch schon auf wundersame Weise aufgetragen worden. Viele kleine Schalen mit vielen Köstlichkeiten. Sitzen am Boden und mir wird eine Schale nach der anderen gereicht, muss von allem probieren und es hat alles ausnahmslos geschmeckt. Danach erstmal wieder arabischen Kaffee, Tee, Wasser und zum Abschluss etwas Saft. Jetzt endlich darf ich meine Mopedmontur gegen die Abendgarderobe austauschen. Achmad hat abgetragen und die Shisha (Wasserpfeife) hergerichtet. Haben es uns auf dem Matratzenlager gemütlich gemacht und uns der Wasserpfeife gewidmet. Nach den ersten Zügen ist mir erstmal der Kreislauf abgesackt, keine Ahnung was wir da geraucht haben. Etwas arabischen Kaffee, ein paar weitere Züge und alles hat sich wieder stabilisiert.

Während der ganzen Zeit hat man keine Frau gesehen im Haus. Gehört ja, aber nicht zu Auge bekommen. Die Töchter von Abu Miffle haben sich ab und zu gezeigt, wobei die älteste acht Jahre ist. Das Abendessen wurde von den Frauen aufgetragen, dabei wurde aber der Vorhang in dem Zimmer, in dem wir sitzen, heruntergelassen. Als das Essen aufgetragen war, wurde kurz gerufen, der Vorhang zur Seite geschoben und man wurde in den Nebenraum gebeten. Essen und Unterhaltung findet alles ohne Beisein von Frauen statt. Wenn ich auf Toilette muss, begleitet mich Achmad, um mir den Weg „freizuhalten“. Das Haus ist aufgeteilt in Frauen- und Männerräume. Um sich gegenseitig nicht zu begegnen, wird immer wieder gerufen, wenn sich ein Gast anmeldet oder verabschiedet. Auch am nächsten Morgen bei meiner Verabschiedung sind nur Abu Miffle und Achmad anwesend. Wobei ich schon das Gefühl habe unter Beobachtung vom Haus aus zu stehen. Zum Schluss werde ich von Abu Miffle und Achmad jederzeit in ihrem Haus willkommen geheißen, falls mein Weg mal wieder durch Syrien gehen sollte.

Mache mich auf nach Damaskus. Es ist immer gut, wenn man früh am Tag in eine größere Stadt einfährt. Man hat dann Zeit sich die Hotels auszusuchen. Nachmittags sind viele schon wieder reserviert. Aber erstmal immer Richtung Stadtzentrum halten. Dort angekommen, Moped abstellen, jemanden darauf aufmerksam machen und zu Fuß die nähere Umgebung nach Hotels absuchen. Scheint so, als hätte ich dieses Mal etwas mehr Pech. Viele Hotels in meiner Preisklasse sind ausgebucht oder haben keinen Abstellplatz für mein Moped oder bieten mir an, mein Moped über das Treppenhaus ein oder zwei Stockwerke nach oben in den Flur zu stellen. Also, Leute, Polizei und auch an den Hotelrezeptionen nach Alternativen fragen. Meist ist das nur mit Händen und Füßen möglich, aber komme auch so meinem Ziel etwas näher. Lande schließlich in der Altstadt von Damaskus und werde da bei einem Hostel fündig. Das Moped kann ich in der Gasse vor dem Haus abstellen und der Nachtportier hat ein Auge darauf. Also zurück und mein Moped holen. Jetzt habe ich zwar ein Bett für die Nacht, aber der Weg dahin gestaltet sich etwas abenteuerlich. Die Altstadt von Damaskus besteht im Großen und Ganzen fast nur aus kleinen Gassen. Parkplätze sind selten bis meist nicht vorhanden, und so manch ein Fahrzeug wird meist abgestellt mit einem Hinweis an der Scheibe, wo man den Fahrer finden kann. Nur hilft dieser Hinweis nicht viel, wenn man kein arabisch lesen kann. Also, erstmal jemand finden, der ein wenig Englisch spricht und mir die Zettel übersetzen kann. Habe Glück und finde gleich einen hilfreichen Gesellen. Er läuft neben mir her, bis ich mit meinem Moped nicht mehr weiterkomme. Er übersetzt mir dann den Zettel an der Scheibe, erklärt mir, in welchem Haus oder Hotel ich den Fahrer finde, gibt mir auch den Namen mit auf den Weg und ich marschiere los, den Fahrer ausfindig zu machen. Erkläre mit Händen und Füßen mein Anliegen, aber meist ist schon klar was ich will, auch ohne Worte. Nachdem dann das Auto soweit zur Seite gefahren wurde, dass ich mit meinem Moped vorbei komme, geht es dann weiter bis zum nächsten Engpass. Das ganze wiederholt sich solange, bis man sein Ziel erreicht hat. War fast zwei Stunden damit beschäftigt mein Moped vor die Hoteltür zu schaffen. Nochmals vergewissern, kein Problem, Moped kann stehen bleiben. Abpacken, rauf ins Zimmer, duschen und anschließend Damaskus etwas anschauen. Abends Plan ausarbeiten für die nächsten Tage. Ins Bett fallen.

Werde um 4.30 Uhr durch lautes Klopfen an meiner Tür geweckt. Der Nachtportier entschuldigt sich vielmals, aber die Polizei steht vor dem Hotel und möchte sich mit dem Eigentümer des Mopeds unterhalten. Also Hose und T-Shirt an, runter gehen. Drei Polizisten stehen um mein Moped herum. Fragen, ob dies mein Moped wäre und warum es auf der Straße steht. Ob ich nicht wüsste, dass hin und wieder Mopeds geklaut werden in Damaskus. Um es kurz zu machen, ich bekomme eine Lehrstunde, wie ich mein Moped richtig zu sichern hätte und dass ich es vor dem Hotel nicht stehen lassen könnte. Der Nachtportier übersetzt. Ich solle ihnen folgen, sie würden mich auf einen bewachten Parkplatz begleiten, wo ich gegen einen Betrag mein Moped stehen lassen könnte. Der Nachtportier rät mir davon ab und macht den Vorschlag, das Moped erstmal bis zum Morgen vor dem Hotel stehen zu lassen um es dann am Morgen um das Hotel in den Frühstücksgarten zu stellen. Die Polizisten sind davon nicht so sehr begeistert, aber als sie merken, dass ich auf den Vorschlag des Nachtportiers eingehe, steigen sie mit lauten Worten ins Auto und fahren davon. Am nächsten Morgen wird zu allererst mein Moped in den Frühstückgarten des Hotels gebracht. Der Nachtportier zeigt mir den Weg dahin. Dabei sind ein paar Stufen zu überwinden, um nicht durch halb Damaskus fahren zu müssen, um an den Frühstücksgarten zu gelangen. Danach ist erstmal Frühstück angesagt.

Damaskus gefällt mir sehr gut mit seiner chaotischen Art und Weise. Bin in den folgenden Tagen in der Altstadt und auf dem Bazar unterwegs. Werde in zwei lokale Backstuben eingeladen, um zu fotografieren und darf auf dem Bazar immer mal wieder Früchte, Käse, Obst und anderes Essbares probieren. Nach drei Nächten in Damaskus geht es weiter Richtung Süden nach Bosra, einem alten Amphitheater aus der Römerzeit. Das Amphitheater ist imposant anzuschauen, wenn auch touristisch etwas überlaufen. Man bekommt aber einen sehr guten Einblick, wie so ein Gebäude früher funktioniert hat. Man kann sich innerhalb der Gemäuer frei bewegen. Bühne, Zuschauerränge, Innenräume, Aufgänge, Abgänge – alles frei zugänglich. Nach der Besichtigung genehmige ich mir noch ein Hummus (eines der Nationalgerichte Syriens) und mache mich auf nach Deraa, einer Stadt etwa 7 km vor der Grenze nach Jordanien. Halte vor einer Dönerbude und frage nach einer Unterkunft. Nach etwas suchen werde ich fündig und mein Moped wird im Nebenraum hinter einer Glasfront untergebracht. Meine letzte Nacht in Syrien ist angebrochen, morgen geht es rüber nach Jordanien. Mal schauen wie sich in Jordanien meine Schlafplatzsuche gestaltet.

Siggi und Gerdy auf dem Weg nach Südafrika
Siggi und Gerdy auf dem Weg nach Südafrika

Palmyra – Treffpunkt Oase

15.09.2010

 

Je weiter ich mich Richtung Afrika bewege, desto mehr Reisende treffe ich auf dem Weg. Liegt vielleicht auch daran, dass Syrien kein allzu großes Land ist und die interessanten Plätze von vielen auf Reisen befindlichen Leuten angefahren werden. Palmyra ist so ein Anfahrpunkt.

Breche mein Wüstenlager nach einem kleinen Frühstück ab und mache mich auf den Weg nach Palmyra – eine der gut erhaltenen Ruinenstädte in Syrien. Erstmal zurück auf die Hauptstraße quer durch die syrische Wüste. Die heutige Strecke ist schnell zurückgelegt und ich erreiche Palmyra früh am Tag. Fahre erstmal Richtung Schloss, das sich etwas außerhalb auf einem Hügel befindet. Von hier hat man einen guten Überblick über das umliegende Gelände und auch über die Ruinenstadt. Diese stellt sich, vom Aussichtspunkt auf dem Hügel, als nicht so klein heraus. Auf Empfehlung von Heidi und Andreas fahre ich ein Camp hinter dem Hauptgebäude der Ruinenstadt an. Angekommen werde ich gleich empfangen und auf zwei Mopedfahrer aufmerksam gemacht. Siggi und Gerdy, befinden sich gerade im Aufbruch. Unterwegs auf zwei 640 KTM Adventure, Südafrika entgegen. Die beiden haben ein Jahr Auszeit von ihren Verpflichtungen genommen. Wir kommen ins Gespräch und vergessen dabei etwas die Zeit. Gegen Mittag entscheiden sich Siggi und Gerdy doch noch eine Nacht länger am Camp zu bleiben. Unterhalten uns über unsere Erlebnisse, was so eine Reise mit sich bringt und ich kann ihnen Äthiopien etwas näher bringen. Nach einem gemeinsamen Abendessen und Frühstück am nächsten Morgen verabschieden wir uns voneinander mit dem sicheren Gefühl, dass wir uns wieder auf unserer Tour über den Weg fahren werden.

Tagsüber bin ich in Palmyra und der Ruinenstadt unterwegs. Dauert etwas länger als geplant, man braucht etwas Zeit, um das Gelände abzulaufen. Bin abends noch in der Stadt, um mich im Internet umzusehen und komme etwas später am Abend wieder zurück zum Camp. Da fällt mir auch gleich der Landcruiser mit dem Kamel ohne Schwanz an der Seite auf. Kein Laut, die Leute sind entweder nicht zuhause oder haben sich schon in den Schlafsack verkrochen.

Am nächsten Morgen mache ich mich vor Sonnenaufgang Richtung Schloss auf der Anhöhe auf, um ein paar Fotos vom Sonnenaufgang zu machen. Komme fast zu spät, das Rot der aufgehenden Sonne ist schon fast verschwunden. Anschließend schlendere ich noch etwas durch die Ruinen und mache ein paar Bilder. Bei meiner Rückkehr begrüßt mich Jens, der Landcruiser mit dem Kamel ohne Schwanz an der Seite. Spricht mich gleich auf das Moped und meine Tour an. Sind uns wohl von Anfang an sympathisch, kann mir sonst unsere langen Gespräche nicht erklären. Zum Frühstück zeigt sich dann auch Michaela, die bessere Hälfte von Jens. Verquatschen fast den ganzen Tag. Jens stellt sich dabei als der etwas bessere Mopedkenner heraus. Am Abend fragt mich Jens, wann ich denn das letzte Mal das Ventilspiel meines Mopeds überprüft hätte. Noch gar nicht, entgegne ich ihm, will dies aber in Äthiopien überprüfen. Jens bietet mir an, das Ventilspiel am nächsten Morgen vor ihrer Weiterfahrt zu überprüfen. Habe zuerst ein schlechtes Gewissen das Angebot anzunehmen. Überlege noch kurz und nehme dann dankend an. Gesagt getan, gegen 11.00 Uhr am nächsten Morgen habe ich die Gewissheit, dass sich das Ventilspiel meines Mopeds auch nach etwa 26 000 km im Toleranzbereich befindet und ich beruhigt meine Reise fortsetzen kann. Nach einem gemeinsamen Frühstück gegen Mittag verabschieden sich Jens und Michaela, um in Richtung Süden, Jordanien, aufzubrechen.

Wie sagte schon ein anderer Reisender; „Wenn man andere Reisende treffen will, muss man ab und zu eine kleine Pause einlegen sonst fährt man sich nur hinterher oder vorneweg“.

Links Ismad der Besitzer des Ladens
Links Ismad der Besitzer des Ladens

Knappes Wechselgeld

10.09.2010

 

Von Ar Rusafa geht es erst mal wieder zurück nach Ath Thawrah, um über einen Staudamm auf die Nordseite des Euphrat zu gelangen. Fahre auf der alten Straße dem Euphrat entlang, Dayr az Zaw entgegen, biege dann nach Südwest in die Wüste ab – Richtung Palmyra. Palmyra ist eine gut erhaltene und größere Ruinenstadt mitten im Wüstensand. Ist schon spät am Nachmittag und ich entschließe mich, mein Zelt irgendwo im Nichts im warmen Sand aufzustellen. Dafür muss ich noch etwas meine Wasser- und Essensvorräte aufbessern. Bin schon einige Kilometer unterwegs und gebe die Hoffnung schon ein wenig auf, an einem kleinen Laden vorbei zu kommen. Da tauchen wie aus dem Nichts ein paar Häuser in der flimmernden Sonne auf. Mittendrin ein kleiner Laden. Halte an und genehmige mir erstmal einen Schluck Wasser. Kaufe meine Sachen und verstaue sie in den Aluboxen am Moped. Will mich gerade wieder auf den Weg machen, als mich der Besitzer des Ladens (Ismad) auffordert mich zu setzen und auf einen Tee einlädt. Überlege kurz, setze mich und genieße den Tee. Beobachte dabei die Leute, die am Laden vorbei kommen und auch das eine oder andere einkaufen. Ist Ende des Ramadans und dementsprechend wird für die Festtafel eingekauft. Zwanzig Wassermelonen sind dabei keine Seltenheit. Sitze gerade so da, als ein Kleintransporter auf den Platz fährt. Auf der Beifahrerseite steigen zwei Mädchen aus, meiner Einschätzung nach nicht älter als 14. Zu meiner großen Überraschung ist der Fahrer aber auch nicht älter. Weit und breit kein älterer zu sehen. Von seinem Verhalten abzuleiten, ist er nicht das erste Mal mit dem Kleinlaster unterwegs. Der Junge setzt sich neben mich, wir unterhalten uns etwas mit Händen und Füßen, während seine zwei Schwestern, wie er mir erzählt, für das Festmahl zum Ende des Ramadans einkaufen. Wenn man dann sieht, wie viel an Lebensmitteln aufgeladen wird, ist so ein Kleinlaster schon sehr hilfreich. Der Junge erklärt mir, dass die ganze Familie zusammenkommt, in etwa 80 Personen, um das Ende des Ramadan zu feiern. Dementsprechend wird jetzt eingekauft. Alle bezahlen mit großen Scheinen. Irgendwann geht Ismad das Kleingeld aus. Er fragt, ob ich den einen oder anderen Schein wechseln kann. Kann ich gerne machen. Irgendwann wird auch bei mir das Kleingeld etwas knapp. Die Leute bezahlen weiterhin nur mit großen Scheinen. Gewechselt wird inzwischen über mehrere Leute hinweg, um dem Kunden sein Wechselgeld zu präsentieren. Gestaltet sich wie folgt; erstmal wechselt jemand von 1000 auf 2 x 500, anschließend wechselt jemand einen 500er Schein, um dann wieder von jemand anderem noch kleiner gewechselt zu werden. Irgendwann hat der Kunde dann sein Wechselgeld in der Hand. Geht die Stunden, die ich am Laden sitze, ständig hin und her mit dem Geld. Geldverschiebung auf syrisch, funktioniert auf wundersame Weise. Habe meinen Spaß dabei und ist wunderbar mitzuerleben.

Kurz vor meiner Weiterfahrt kommen syrische Mopedfahrer am Laden vorbei. Kleine 200 ccm Maschinen, mit zwei Leuten und doppeltem Gepäck beladen. Militärklamotten an, als Helm das typische syrische Beduinentuch um den Kopf geschlungen. Um die Augen zu schützen und besser sehen zu können wurde eine Sonnenbrille über die Augen gestreift. Außer Tuch und Sonnenbrille ist nichts mehr vom Kopf zu sehen. Die Vier interessieren sich speziell für mein Moped, vor allem die Reifen haben es ihnen angetan. Setzen sich auch auf mein Moped, um den Komfort zu prüfen. Mein Moped wird für gut befunden, erst recht als sie erfahren, dass ich den ganzen Weg von Deutschland nach Syrien zurückgelegt habe.

Fahren ein Stück des Weges gemeinsam, bevor ich mich querfeldein auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz mache. Schon nach kurzer Zeit werde ich fündig, und nach etwas Steine räumen kann ich mein Zelt in der syrischen Wüste aufstellen.

Blick auf Ar Rusafa bei Sonnenaufgang
Blick auf Ar Rusafa bei Sonnenaufgang

Abendessen im Wüstensand

09.09.2010

 

Erstmal einreisen und dann weitersehen, hat mir in der Vergangenheit auch mehr genützt als einen Plan zu haben. Reise über Killis in Syrien ein. Ausreise aus der Türkei gestaltet sich wie schon zuvor in den Iran problemlos. Einreise nach Syrien ist nach etwa knapp zwei Stunden erledigt. Erfordert etwas durchfragen, um in die richtigen Büros zu finden, das Carnet de Passage abgestempelt zu bekommen sowie an eine Versicherung für das Moped zu gelangen (must have). Danach steht einer Erkundung Syriens nichts mehr im Wege. Stelle mich also in die Reihe der wartenden und nach einer knappen Stunde gelange ich an den Schalter und Strecke dem Beamten meinen Reisepass entgegen, dieser schaut etwas irritiert auf und fragt mich, ob ich aus Deutschland komme. Ja. Warum stellst du dich in die Reihe? Kannst gleich zum Schalter vorgehen das nächste Mal. Erklärt mir aber dann wo ich was erledigen muss und wie ich an meine Versicherung für mein Moped komme. Also los, Tür zum Office für die Versicherung verschlossen. Anklopfen, wird sofort geöffnet. Versicherung wird ausgestellt, zum nächsten Office. Da wird mir erstmal erklärt, dass dies die Falsche Versicherung sei – für ein Auto und nicht für ein Moped. Also zurück, neue Versicherung – bekomme auch noch etwas Geld zurück. Neuer Anlauf, diesmal klappt alles. Beim zurückgehen zum Grenzhäuschen werde ich gleich von Beamten an den wartenden vorbei in das klimatisierte Häuschen geleitet. Stehe da so rum, genieße den mir angebotenen arabischen Kaffee und sehe zu wie mein Carnet de Passage bearbeitet wird, als mich jemand von der Seite anspricht. „One Dollar“ von Malaysia, unterwegs mit seiner BMW 1100 GS von Malaysia durch Europa nach Deutschland, Hamburg. Von da will er sein Moped wieder zurück nach Malaysia verschiffen lassen. Nach dem abstempeln meiner Papiere warte ich kurz auf „one Dollar“. Wie das so ist, wenn sich zwei Mopedfahrer auf dem Weg treffen, wird ein wenig geplaudert. „One Dollar“ fragt mich nach meiner Route und ich erkläre ihm meinen groben Fahrplan. Dabei erwähne ich auch, dass ich mein Moped eventuell mit dem Schiff von Malaysia nach Australien (Darwin) übersetzen lassen will und frage ihn ob er mir eine ihm bekannte Shipping Agency in Malaysia empfehlen kann. Er lacht und streckt mir eine Visitenkarte entgegen. „One Dollar“ hat eine Shipping Agency in Malaysia. Falls ich mich bei dieser melden sollte, soll ich seinen Spitznamen nennen und den Mitarbeitern sagen, dass ich ihn auf seiner Reise durch Europa getroffen hätte. Er denkt aber, bis ich in Malaysia bin ist er auch wieder zurück. In diesem Falle würde er sich dann kümmern. Wir verabschieden uns, er Richtung Europa, ich Richtung Asien. Zufall, aber Zufälle gab es schon viele auf meiner Reise. Je weiter man fährt, desto kleiner wird die Welt. Aber jetzt steht erstmal Syrien auf meinem groben Reiseplan.

Besuche erst mal Dirk und seine Familie, Katrin und Erik in Allepo. Kenne Dirk von meiner Arbeit als Entwicklungshelfer in Äthiopien. Danach führt mich der Weg in den Osten des Landes, am Euphrat entlang, um dann Richtung Süden nach Ar Rusafa (Resafa) abzubiegen. Ar Rusafa liegt mitten in der Wüste Syriens. Deutsche Archäologen sind seit den 50zigern damit beschäftigt eine alte Karawanenstadt ans Tageslicht zu befördern. Treffe am frühen Nachmittag in Ar Rusafa ein und genehmige mir erstmal einen Schluck Wasser und eine Kleinigkeit zu essen. Ar Rusafa besteht aus ein paar Häusern und zwei kleineren Gasthäusern, die die Touristen mit Getränken und Essbarem versorgen. Beschließe mein Zelt für die Nacht in der Nähe der Ruinenstadt aufzustellen. Laut Auskunft der Leute kein Problem. Treffe am späten Nachmittag, nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen habe, auf einen Teil des anwesenden Archäologenteams aus Deutschland. Kommen ins Gespräch und bekomme so einen kleinen Überblick über die Ausgrabungsstätte. Das Team kommt jedes Jahr für sechs Wochen nach Ar Rusafa, um mit den Ausgrabungen fortzufahren.

Während ich mich mit dem Archäologenteam unterhalte, erreichen Heidi und Andreas Ar Rusafa mit ihrem Landcruiser. Die beiden kommen aus Berlin und sind für etwa 4 Wochen in Syrien und Jordanien unterwegs und mehr oder minder schon wieder auf dem Nachhauseweg. Unterhalten uns über die gemachten Erlebnisse auf der jeweils gemachten Reise bis zu unserem Treffpunkt in Ar Rusafa.

Nach dem Sonnenuntergang wird es ruhig in Ar Rusafa und die Bedienung des Restaurants fragt, ob wir was zu Essen haben wollen. Heidi und Andreas bestellen etwas zum Abendessen und ich noch etwas zum Trinken. Dauert etwas, bis das Abendessen zubereitet ist. Sitzen so da und unterhalten uns ein wenig, als ein paar Leute aktiv werden und Tisch und Stühle verrücken. Platziert werden diese direkt vor der beleuchteten Ruinenstadt, Essen wird serviert und wir werden aufgefordert, Platz zu nehmen. Setzen uns, Heidi und Andreas genießen ihr Abendessen, während sich die Bedienung dezent zurückzieht. Irgendwann wird uns klar, dass wir alleine auf weiter Flur sind. Sitzen mitten in der Wüste vor einer beleuchteten Ruinenstadt und bewundern diese, sowie den Vollmond und den klaren Sternenhimmel. Man fühlt sich etwas wie Lawrence von Arabien. An einem gedeckten Tisch mitten im Wüstensand. Fehlen nur noch die Kerzen und ein paar Kamele. Auf dem Weg zurück in mein Zelt fällt mir auf, dass der Boden ständig in Bewegung ist. Bei etwas genauerem hinsehen wird schnell klar, was da so über den Boden kriecht. Kakerlaken, und zwar etwas größere als ich aus Äthiopien gewöhnt bin. Denke mir nichts dabei und schlafe auch ganz entspannt ein.

Früh am Morgen, noch vor dem Sonnenaufgang, bin ich in der Ausgrabungsstätte und fotografiere. Nach den Erklärungen der Archäologen sieht man eine Ausgrabungsstätte mit anderen Augen. Die alte Karawanenstadt hat es mir angetan, ist sie doch in ihrem gesamten Ausmaß in einem guten Zustand erhalten geblieben. Man bekommt eine gute Vorstellung, wie es hier früher zuging. Wenn ich mir versuche vorzustellen, wie früher die Karawanen über das Wüstengelände zogen, von Karawanenstadt zu Karawanenstadt, verspüre ich Respekt, Hochachtung und Lust, mich auch mal mit einem Kamel in die Wüste zu schlagen.

Nach dem gemeinsamen Frühstück mit Heidi und Andreas mache ich mich daran meine Sachen zu packen und auf dem Moped zu verstauen. Will gerade meine Stiefel überziehen, die die Nacht über neben meinem Zelt gestanden haben, als eine Horde von Kakerlaken die Flucht aus meinem Stiefel ergreift. OK, erstmal die Stiefel ausklopfen. Gar nicht so einfach, alle Kakerlaken dazu zu überreden, meine Stiefel zu verlassen. Nach mehrmaligem Ausklopfen sind schließlich auch die letzten davon überzeugt doch noch die Flucht zu ergreifen. Nun steht einer weiteren Besichtigung Syriens nichts mehr im Wege.